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Die iranische Sicherheitspolitik nach den Präsidentschaftswahlen


ARD-Hauptstadtstudio

Austragungsort der Podiumsdiskussion war das ARD-Hauptstadtstudio in Berlin, das in unmittelbarer Nähe zum Reichstag und zum Kanzleramt liegt. Geographisch liegen Medien und Politik in unserem Land eng beieinander.

Die „Deutsch-Atlantische Gesellschaft e. V.“ lud zur Podiumsdiskussion über „Die iranische Sicherheitspolitik nach den Präsidentschaftswahlen“ am 4. Oktober 2010 im ARD-Hauptstadtstudio ein. Teilnehmer waren der iranische Exil-Politiker Dr. Mehran Barati, der Iran-Experte Dr. Walter Posch, die ehemalige FAZ-Korrespondentin in Teheran, Christiane Hoffmann, und der iranisch-stämmige Sicherheitspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Omid Nouripour.

Es war der dritte Anlauf, da die zwei zuvor geplanten Veranstaltungen der „Deutsch- Atlantischen Gesellschaft“ abgesagt werden mussten. Die Gründe waren unter anderem die im Vorfeld geäußerten scharfen Kritiken am Veranstalter und die Proteste gegen die Teilnehmer der Veranstaltung, insbesondere gegen Herrn Omid Nouripour, aufgrund der Teilnahme des iranischen Botschafters, Ali Reza Sheikh-Attar. Letzterer hat diesmal beim dritten Anlauf selbst abgesagt.

Nach Angaben des Veranstalters war die iranische Botschaft nicht bereit, über die Präsidentschaftswahlen vor einem Jahr zu sprechen und hat deshalb die Teilnahme abgesagt. Auf Anfrage von Irananders teilte die Botschaft allerdings mit, dass eine grundsätzliche Bereitschaft zu Gesprächen über dieses Thema bestand, es jedoch Befürchtungen gab, dass die namentliche Aufnahme dieses Themas im Titel der Veranstaltung („Die iranische Sicherheitspolitik nach den Präsidentschaftswahlen“) im Zusammenhang mit der Teilnahme des Botschafters zur Verstärkung anti-iranischer Ressentiments führen könnte. Schließlich mussten zwei Veranstaltungen wegen der iran-kritischen Lobbys abgesagt werden, die zu diesem Zweck nahezu alle möglichen Register gezogen haben.

Offensichtlich fürchtete der für die Veranstaltung zuständige Botschaftsmitarbeiter verbale (oder gar nonverbalen) Angriffen auf seinen Vorgesetzten, wofür er dann vermutlich gerade stehen muss. Denn für die Gesprächsbereitschaft des Botschafters spricht, dass er mitten in den Wahlunruhen im letzten Jahr mehrere Interviews gab (u. a. im ZDF-Morgenmagazin und bei  RTL) und in der Phoenix-Gesprächsrunde Rede und Antwort stand. Nach Angaben der Botschaft hat er damals aktiv den Kontakt zu den Medien gesucht, um einige Dinge in den Medien klar stellen zu können.

Die Absage des Botschafters wurde allerdings vom Veranstalter in einem ganz anderen Zusammenhang wahrgenommen. Im Vorwort der Veranstaltung wurde sie so formuliert und vom Publikum auch entsprechend verstanden, dass der Iran sich vor Kritik an den Präsidentschaftswahlen fürchtet und nicht in der Lage ist, dazu Stellung zu beziehen. Gerade aber der Titel der Veranstaltung „Die iranische Sicherheitspolitik nach den Präsidentschaftswahlen“ verhieß die Auslotung einer Korrektur in der westlichen Politik. Denn tatsächlich haben letztes Jahr etliche Experten und Kommentatoren eine Revolution im Iran erwartet oder zumindest nicht ausgeschlossen (sogar alte Hasen wie Peter Scholl-Latour). Dass dies auf lange Sicht nicht passieren wird, darin waren sich alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion schon in der ersten Gesprächsrunde einig. Daher hätte die Veranstaltung „Die westliche Sicherheitspolitik nach den iranischen Präsidentschaftswahlen“ heißen müssen. Die Regierung im Iran ist die gleiche Regierung, einen objektiven Wandel in der iranischen Sicherheits- und Außenpolitik hat es nicht einmal im Geringsten gegeben, dafür  aber signifikant in der westlichen Politik, die auf falschen, fehlgeleiteten und illusionären Annahmen basierte bzw. in den USA auch weiterhin basiert.

Einfluss politischer Atmosphären

Der Exil-Oppositionspolitiker Dr. Mehran Barati, der unfreiwillig als Schwiegervater des ehemaligen deutschen Außenministers Joschka Fischer vorgestellt wurde, entpuppte sich in vielen Punkten als neutraler und unvoreingenommener Beobachter der iranischen Politik.
Die Rolle eines notorischen Schwarzmalers hatte diesmal Herr Omid Nouripour inne. Als einziger Teilnehmer bezeichnete er die Wahlen als gefälscht. Bereits vor dem Eingang zum Sitzungssaal lag eine mehrseitige Stellungnahme von ihm auf einem Tisch aus, wo er sich auf mehreren Seiten zu rechtfertigen versucht, weshalb er zuvor in den zwei abgesagten Veranstaltungen in einen Dialog mit dem iranischen Botschafter treten wollte. Dabei musste er wohl mehr oder weniger freiwillig das iranische Regime von oben bis unten dämonisieren, um dann anschließend aus voller Distanz zu begründen, weshalb dennoch ein Dialog mit diesem „konkurrenzlos-schrecklichen“ Regime notwendig sei (vermutlich ist niemandem aufgefallen, dass die Bundesregierung ganz offiziell in einem permanenten Dialog mit Teheran steht). Auch während der ganzen Diskussion gewann man den Eindruck, dass sein Adressat viel mehr die iran-kritischen Lobbys sind als die Gesprächsteilnehmer und das Publikum selbst - immerhin eignet er sich bei einer eventuellen Regierungsbeteiligung seiner Partei in zwei Jahren (als Sicherheitspolitischer Sprecher derselben) für den Posten des Außenministers.

Inwiefern das Publikum, die politische Atmosphäre und der Gesamtkontext einer Veranstaltung auf die Gesprächsteilnehmer und Referenten wirkt, konnte man in dieser Veranstaltung (mit ranghohen Namen im Publikum) mit Vergleich zu einer anderen Iran-Veranstaltung etwa zwei Wochen zuvor in München deutlich erkennen. Auf beiden Veranstaltungen war Dr. Walter Posch präsent, aber man hatte den Eindruck, dass „der Posch in der politischen Hauptstadt“ ein anderer war als „der Posch in der bayerischen Provinz“. Er drückte sich auffällig vorsichtig und bedacht aus. Sobald von ihm ein positives Element der iranischen Politik erwähnt wurde, kam sogleich von ihm selbst eine gewisse Relativierung. Man hatte denn Eindruck, dass er keine Angriffsfläche bieten wollte. Denn die Gelegenheit dazu, bestimmten Klischees und Fehlinformationen über den Iran zu widersprechen (wie in München), hatte er hier auch häufig gehabt, die er – wenn überhaupt – nur mit einer zaghaften Rhetorik wahrnahm.

Solche Unterschiede in der Rhetorik und im Inhalt der Rede, die durch  das Publikum, die Atmosphäre und den Gesamtkontext bewirkt wurde, konnte man sogar bei einem Referent auf der mehrtägigen Iran-Tagung in Trier in Juni 2010 im Verlauf dieser Konferenz bemerken. Am Anfang noch ziemlich einseitig, vollzog der Referent allmählich wegen mehrerer kritischer Bemerkungen und Nachfragen aus dem Publikum - und vor allem aufgrund eines ausgezeichneten Vortrages eines anderen Referenten - am letzten Tag der Tagung eine bemerkenswerte Wende. Mehr noch: er bedankte sich beim kritischen Teil des Publikums, die Ayatollah Khomeinis Aspekt der Modernisierung des schiitischen Rechts einbrachten, weil er dadurch den Mut erhielt, in seinen weiteren Vorträgen die Mehrdimensionalität Khomeinis zu beleuchten.

Was im „Mullahregime“ mit primitiven Gefängnisstrafen, Zeitungs- und Berufsverboten gelöst wird, wird im „Regime der Bundesrepublik“ mit wirtschaftlichem Abstieg, Rufmord, dem Absprechen von Kompetenz und mit der Infragestellung der Integrität („Lobbyist der Mullahs“ etc.) von u. a. nicht-staatlichen Interessensgruppen bewirkt .

Fragen des Publikums und Möglichkeiten der Kritik

Bedauerlicherweise gab es – wie es bei Podiumsdiskussionen üblich ist – wenig Zeit für Fragen und Anmerkungen aus dem Publikum. Die Meldung eines Libanesen, der minutenlang emotional bestrebt war, angebliche Schandtaten anderer Staaten, insbesondere die von Israel, mit den Schandtaten Irans zu vergleichen, gab den Rest. Die meisten anderen Meldungen waren ebenso verfehlt, weil sie fast immer Themen nachfragten, die bereits während der Podiumsdiskussion ausführlich behandelt worden sind.

Dabei gab es genügend Punkte zu kritisieren, hauptsächlich die von Omid Nouripour, der eine beispielslose Verteufelung Ahmadinejads betrieb. Er betonte zwar, wie bereits oben erwähnt, mehrmals die Notwendigkeit des Dialoges mit der Teheraner Regierung. Aber gerade diese Betonung erweist sich bei näherer Betrachtung als kontraproduktiv, denn ironischerweise stellte keiner der Podiumsteilnehmer oder kein Staat der Welt (bis auf Israel) das jemals in Frage. Durch diese überstrapazierte Betonung wurde lediglich eine Selbstverständlichkeit in Frage gestellt. Ferner war Nouripour der einzige Diskussionsteilnehmer, der weiteren Spielraum für Sanktionen vorsah und gleichzeitig Teheran Irrationalität vorwarf. Seine unverblümten Falschaussagen über die iranische Wirtschaft (die sein einziges Argument für eine Wahlfälschung sind, obwohl unter Ahmadinejad Irans BIP Rekordwerte erreichte u.v.m.) und von der angeblichen Notwendigkeit, 500 Milliarden Dollar in die iranischen Raffinerien zu investieren (nach Gal Luft, Erfinder der Treibstoffsanktionen gegen den Iran, muss der Iran derzeit nur noch 25 % Treibstoff importiert, und in einigen Jahren wird der Iran wahrscheinlich sogar zu einem Exporteur), war nur die Spitze des Eisberges. Insgesamt hatte Nouripour für die derzeitige Regierung in Teheran nichts übrig, alle vertrauensbildenden Maßnahmen der iranischen Politik rechnete er der Khatami-Regierung an, sei es die Zusammenarbeit zwischen dem Iran und den USA in Afghanistan oder die im Irak. Die wichtigen US-Iranischen Sicherheitskooperationen über den Irak fanden aber unter Ahmadinejad statt, was unterschlagen wurde (für eine ausführliche Behandlung aller Aussagen Nouripours, die im deutschsprachigen Raum allgemein gängig und bekannt sind, ist die gesamte Internetseite von Irananders zu empfehlen, die in aller Regel auf diesen eingeht).

Überraschend positiv fiel dagegen Christiane Hoffmann auf, die unter allen Diskutanten nicht nur mit Sachlichkeit und Ehrlichkeit auffiel, sondern auch den Mut hatte, dieses auszusprechen. Als womöglich einzige Journalistin in Deutschland sprach sie von der Tatsache, dass es den USA ungemein schwer fiel, die letzten UN-Sanktionen zu beschließen (Irananders berichtete zuvor an mehreren Stellen darüber, wie hierhier und hier) und dass die nächsten Sanktionen wahrscheinlich erst mindestens in ein oder zwei Jahren praktikabel wären. Ihre profunden Kenntnisse fielen auch in anderen Bereichen auf. So widersprach sie Posch, der davon sprach, dass die Islamische Republik im Jahr 2005 ein gutes Angebot der EU abgelehnt hat. Hoffmann machte darauf aufmerksam, dass es sich um einen EU-Angebot gehandelt hat und der Iran aber logischerweise an einem US-Angebot interessiert war. Die EU hätte sich damals größer dargestellt als sie in Wirklichkeit ist (später gab es jedoch ein vages Angebot der rangunteren G5+1-Außenministern, die der Iran detailliert beantwortete).

Fazit

Insgesamt handelte es sich um eine kontrastreiche Diskussion, wo viele Pros und Contras ausgetauscht wurden. Das Thema Wirtschaft wurde leider aber zu ansatzweise angesprochen - wenn überhaupt von Nouripour - und hätte im Hinblick auf die Fähigkeiten und Auswirkungen der Sanktionen detaillierter und vor allem nach der Faktenlage angesprochen werden müssen. Ein weiterer Punkt, der zu kurz kam, war die Herauskristallisierung der Notwendigkeit einer „Westlich-Iranischen Annäherung“ im ureigensten Interesse. In diesem Sinne wies ein führender Bundestagspolitiker, der kürzlich den Iran aus nächster Nähe kennen lernen dürfte, im informellen Gespräch nach der Veranstaltung darauf hin, dass die Veranstaltung zu sehr an die Oberfläche gekratzt habe. Nach seiner Meinung würde der Westen nicht wissen, dass der Iran in der Region dem Westen um sechzehn Schachzüge voraus ist. In Anbetracht der kürzlichen Reise Ahmadinejads in den Libanon und der verschwommenen Wahrnehmung des Westens (Einladung von der Hisbollah, nur Gast der Hisbollah und Verehrung und Jubel nur von Seiten der Hisbollah) können wir uns dem nur anschließen.


Nachwort

Der Aspekt, dass der Westen in vielen Fragen vom Iran abhängig ist, konnte sich in der Veranstaltung nicht herauskristallisieren, weil sie im Kontext der angeblichen Bekanntmachung Ahmadinejads, der Iran und USA seien die einzigen Weltmächte (die Richtigkeit dieser Aussage/Übersetzung ist zu bezweifeln, da Ahmadinejad immer davon spricht, dass die USA keine Weltmacht mehr sei), behandelt wurde. Insofern war es klar, dass man in diesem Zusammenhang die politischen sowie wirtschaftlichen Unvollkommenheiten Irans thematisierte, was aber dazu führte, den Iran nicht als notwendigen und wichtigen Partner in internationalen Fragen mehr zu erkennen.


iranopoly.wordpress.com18-10-10

Das der iran dem westen in der eigenen region um etliche schachzüge voraus ist, ist eine interpretation der es an salonfähigkeit mangelt.
Diese tatsache muss in diesem land durch journalisten, aktivisten und politiker noch viel deutlicher gemacht werden.
Wir müssen uns endlich klar werden, dass der iran mittlerweile der boss am golf ist und wir aus der position eines zwerges diese realität akzeptieren müssen wenn wir in zukunft am golf geduldet werden wollen.

Sobhan21-10-10

Schade, dieser Nouripour hat früher Sanktionen abgelehnt. Danke Mir Hossein!

Grauzone01-11-10

Mit Propaganda a la Nouripour wird man nichts erreichen.....

... http://www.nouripour.de/index.php?id=einzelansicht&tx_ttnews[tt_news]=128995&cHash=8e4ab576c4

esmaeili09-03-11

das wundert mich nicht , dass kein mensch die politiker wie herr nouripour ernst nimmt.einer grünen politiker , das sagt doch alles.danke





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