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Die Rekrutierungsversuche des „Islamischen Staats“ (IS) in Iran verlaufen - wie in Deutschland - meist über das Internet. Im inländischen Kampf Teherans gegen den IS wirkt neben den politischen, sozialen und religiösen Komponenten daher die technische Komponente mit. Die iranische Erfahrung im Kampf gegen den IS auf eigenem Boden stellt einen aufschlussreichen Kontrast zur Situation in Deutschland dar.
Technische Rahmensituation des IS in Iran
Iran gilt nach Angaben von „Reporter ohne Grenzen“ und „Freedom House“ als einer der größten Feinde des freien Internets. Es gibt gleich mehrere Institutionen, die das Internet restriktiv reglementieren, beschränken und beobachten, darunter der Geheimdienst, die Cyberabteilung der Justiz (CDICC), die Cyberabteilung der Bundespolizei (FATA), die Cyberabteilung der Revolutionsgarde und semi-staatliche Entitäten, wie die „Iranian Cyber Army“, die aus gewöhnlichen konservativ-ideologisierten Internetusern und –spezialisten besteht, also eine Cyber-Volksmiliz.
Die Blockierung von Inhalten und Kontrolle des Internets werden in Iran präventiv, interzeptiv und reaktiv vorgenommen. In Iran ist es relativ leicht, schnell und unbürokratisch, Inhalte im Netz zu blockieren. Selbst Internetnutzer im Internet-Cafe werden anhand des Personalausweises registriert und obligatorische Überwachungskameras speichern die Geschehnisse der letzten sechs Monate ab. Die Nutzung von Annonymisierungsoftwares (VPN) sind ohnedies verboten und werden teilweise blockiert.
Ein General der Revolutionsgarde (IRGC, Sepah-e Pasdaran) proklamierte, dass die Islamische Republik die viertgrößte Cybermacht sei. Diese Selbstdarstellung wird von der renommierten israelischen Denkfabrik „Institute for National Security Studies“ geteilt. Hintergrund der Stärke Teherans im Internet sind die Cyber-Angriffe gegen sein Atomprogramm durch die USA und Israel vor etwa 5 Jahren. Seitdem hat der Staat massiv in die Abwehr von Gefahren aus dem Internet investiert.
Die Aktivitäten des IS im iranischen Raum finden vor allem bei Facebook statt. Allerdings haben in den Provinzen mit großer sunnitischer Bevölkerung nur zwischen 32 bis 41 Prozent der Menschen einen Zugang zum Internet, davon statistisch gesehen nicht einmal die Hälfte einen Facebook-Account.
Politische Rahmensituation des IS in Iran
Die iranischen Sicherheitsbehörden gehen nicht nur gegen offenkundige Cyber-Aktivitäten des IS vor, sondern vor allem auch gegen jegliche Missionierungen durch Salafisten und Wahhabiten. In der Islamischen Republik Iran wäre die Durchführung von Konvertierungskampagnen, wie die „Lies!-Aktion“, wo salafistische Literatur neben Koranen an Fußgänger verteilt werden, unmöglich. Das Missionierungsverbot, das übrigens auch für Schiiten gilt, ist ein wichtiger Faktor, der erklärt, weshalb der IS bisher unter der sunnitischen Bevölkerung Irans - die immerhin neun Millionen Menschen ausmacht - keinen Fuß fassen konnte. Denn in fast allen Ländern, wo dem Salafismus freie Hand gewährt wird, sich auszubreiten, gibt es auch signifikant mehr IS-Rekruten.
Soziale Rahmensituation des IS in Iran
Obwohl Iran ein Mehrfaches an sunnitischer Bevölkerung beherbergt als Deutschland mit seinen schätzungsweise 3 Millionen Sunniten, konnten die dschihadistischen Gruppen in Syrien und im Irak - im Gegensatz zu den etwa 680 Rekruten aus Deutschland - nur zwischen 20 bis 50 Bürger der Islamischen Republik anwerben.
Einer der Ursachen für die auffällig wenigen Rekruten aus Iran, ist, dass die sunnitischen Iraner alteingesessen sind und nicht die typischen sozialen Probleme von Immigranten mit sich bringen, wie die IS-Rekruten aus Deutschland. Ja, Iran ist sogar erst seit 500 Jahren schiitisch und war davor sunnitisch.
Religiöse Rahmensituation des IS in Iran
Ein weiterer Grund ist, dass die iranischen Sunniten Schafiiten und Hanafiten sind. Beide gehören zu der rationalistischen Schule des Sunnitentums und stehen somit der Buchstabentheologie des Salafismus diametral gegenüber. Es kommt deshalb nicht von ungefähr, dass vornehmlich Hanbaliten (s. Saudi-Arabien) und Malikiten (s. die Maghrebstaaten) zum IS stoßen, da sie mehr Gemeinsamkeiten mit dem Salafismus haben als Hanafiten (s. die Türkei) und Schafiiten (s. Ostasien).
Des Weiteren ist die Religiosität der Sunniten im Westen Irans - das an den Irak grenzt, wo der IS tobt - vom geistreichen Sufismus beeinflusst, der nun alles andere als ein Freund des puritanischen Salafismus ist.
Insgesamt stößt deshalb das harte Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen missionarische Salafisten bei der Mehrheit der Sunniten und ihren Gelehrten auf Wohlwollen, zumal die iranischen Behörden und Offiziellen sehr scharf zwischen klassischen Sunniten und Salafisten differenzieren und sich keiner sektiererischen Rhetorik bedienen. Sunnitische Gelehrte und Führer der Sufis kooperieren gar mit den iranischen Behörden, um eine Verbreitung des Salafismus zu verhindern.
Fazit
Zu resümieren ist, dass der Erfolg Irans im inländischen Kampf gegen den IS darin geschuldet ist, dass der Staat massiv das mit Füßen tritt und einschränkt, was wir als Bürgerrechte verstehen, sprich eine strenge Reglementierung des Internets und das Verbot von religiöser Missionierung. Zugleich haben jedoch Sunniten durchaus fast die gleichen Freiheitsrechte wie die Schiiten. So sitzen beispielsweise im iranischen Parlament 18 sunnitische Abgeordnete; und Sunniten haben nicht nur verhältnismäßig mehr Moscheen als die Schiiten, sondern sie unterhalten darüber hinaus mehrere eigene Theologische Hochschulen mit mehreren tausenden Studenten.
Zu Gute kommt den iranischen Sicherheitsdiensten, dass die einheimischen Sunniten zu den gemäßigten Denk- und Rechtschulen des Sunnitentums gehören. Hinzu kommt, dass die Sunniten im irakischen Grenzgebiet Kurden sind und eher mit säkularen und nationalen Anschauungen, als mit religiösen Ideologien sympathisieren, sofern sie eine fundamentalkritische Position zur Islamischen Republik haben. In Iran hat der IS deshalb Konkurrenz, wenn es darum geht, junge Menschen mit Kriegs- und Abenteuerlust zu locken - es wirken dort immer noch die militanten Nationalbewegungen der Kurden. Wenn also junge Sunniten in Iran rebellieren und sich einer militanten Gruppe anschließen möchten, haben sie die Wahl. In Deutschland hingegen bieten sich ausschließlich die dschihadistischen Gruppen an.
Kurzum sind ungleich wie in Deutschland die technischen, politischen, sozialen und religiösen Grundlagen und Rahmensituation für eine breite Aktivität des IS sowohl in der iranischen Cyberwelt als auch vor Ort in den sunnitischen Gebieten Irans kaum gegeben. Iran bietet weder einen großen Handlungsspielraum für den IS noch für den ausufernden Salafismus.
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Westliche Regierungen, ihre Nahost-Verbündeten und einige Medienvertreter haben viel mit Lewis Carrols Goggelmoggel gemeinsam. „Wenn ich ein Wort gebrauche“, sagte Goggelmoggel in recht hochmütigem Ton, „dann bedeutet das Wort genau das, was ich für richtig halte – nicht mehr und nicht weniger.“ In vergleichbarer Weise sind im Wörterbuch der westlichen Mächte und ihrer regionalen Partner die Bedeutung solcher Worte wie „Gemäßigte“, „Legitimität“, „Menschenrechte“, „Demokratie“, „Extremismus“, „Terrorismus“ und „Fundamentalismus“ in etwa so beständig wie die Farbe eines Chamäleons.
In der Ukraine unterstützten und erleichterten die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten den Sturz eines demokratisch gewählten Präsidenten und haben das nachfolgende Regime unverzüglich als „legitim“ erachtet. Im Jemen aber erachten die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten Abd-Rabbu Mansour Hadi - obwohl er der einzige Kandidat bei der Präsidentschaftswahl war, obwohl seine Amtszeit als Übergangspräsident nach zwei Jahren abgelaufen ist, obwohl ihm der Rückhalt in der Bevölkerung fehlt, obwohl er im Januar zurücktrat, obwohl er aus seiner Hauptstadt und später aus seinem Land geflohen ist – weiterhin für den „legitimen“ Präsidenten.
Frage der Legitimität
Als Hadi fremde Mächte dazu einlud, die schwache Infrastruktur und das Militär seines Landes zu bombardieren, beeilten sie sich, dies zu tun. Die logistische und geheimdienstliche Unterstützung der USA erklärt wohl auch, warum das saudische Königreich Amerikas Lieblingstaktik „Schock und Ehrfurcht“ für seinen Krieg gegen den Jemen ausgewählt hat. In die gleiche Kerbe schlägt der israelische Premierminister Netanyahu, der die Luftangriffe gegen Jemens fragile Infrastruktur und seine Streitmacht unterstützt. Vielleicht hätten die Saudis ihn besser vorher fragen sollen, warum mehrere barbarische Angriffe des israelischen Regimes auf vergleichsweise viel kleinere Gebiete wie auf Gaza und auf den Südlibanon alle in Niederlagen und Blamagen endeten.
Nun wiederholt sich aber die Geschichte wie ein Schurkenkarussell. Dieselben Staaten, die, wie US-Vizepräsident Joe Biden einmal zugab, dabei halfen, einen Großteil Libyens, Syriens und des Iraks zu zerstören, kämpfen nun auf der gleichen Seite wie die „Al-Qaida der Arabischen Halbinsel“ (AQAP). Ist es wirklich eine gute Idee, den gefährlichsten Zweig al-Qaedas längsseits des Bab El Mandab, der schmalen Wasserstraße, die das Rote Meer mit dem Golf von Aden verbindet, zu stärken, insbesondere da Somalia keine effektive zentrale Regierung hat und al-Qaedas Ableger, wie al-Shabab, auf der anderen Seite der Meeresenge sind?
Es waren schließlich Vetternwirtschaft, Armut, Ungerechtigkeit, Korruption und Jahrzehnte der Fremdbestimmung, die zu Hadis Sturz führten. Die endlosen Versuche, dies abzustreiten, sowie die jemenitische Situation als einen konfessionellen Konflikt darzustellen ist ein abgekartetes Spiel. Genau diese konfessionalisierte Strategie brachte fatalerweise die Bildung von Gruppen wie die Taliban, der IS, Boko Haram, die Al-Qaida, die „Al-Qaida im Islamischen Maghreb“, die Ansar al-Sharia und Jundullah hervor. Sie hat Leid und Verwüstung über Nordafrika verursacht, wo es nicht einmal schiitische Muslime bzw. „Majus“ und „Safavide“ gibt, um die abwertende Terminologie der Dutzend gut-finanzierten konfessionellen, ethnozentrischen und extremistischen Satellitensender zu verwenden.
Iranische Stellvertreter?
Die Houthis oder Ansarallah als Stellvertreter Irans zu bezeichnen, beleidigt ihre Millionen Anhänger und Verbündete im Jemen, einschließlich derer aus dem Süden, die sich gut an die ihnen zugefügte vergangene Leid und Zerstörung durch dieselben Mächte von heute erinnern. Es ist ein offensichtlicher Versuch, ein nicht-konfessionelles Land in Richtung Konfessionalismus zu stoßen, obwohl diese Politik bereits in Syrien gescheitert ist.
Es ist schwer vorstellbar, wie diese Luftangriffe auf den Jemen – das Töten einer bedeutenden Anzahl unschuldiger Zivilisten, einschließlich Frauen und Kinder, die sich in ein Flüchtlingslager drängten – die „Koalition“ als Befreier aussehen lassen werden. Dass diese Piloten nirgends in der Nähe von Palästina flogen als das israelische Regime Gaza 2014 überfiel ist ebenfalls niemandem entgangen.
Die Iraner haben bemerkt, dass die von den Saudis geführte Operation „Sturm der Entschlossenheit“ mit den sensibelsten Phasen der Verhandlungen zwischen der Islamischen Republik Iran und der E3+3 im schweizerischen Lausanne zusammenfiel. Es ist seit einiger Zeit offensichtlich, dass das israelische und saudische Regime ein erfolgreiches Ergebnis dieser Verhandlungen um fasten jeden Preis verhindern wollen.
Unabhängig vom endgültigen Ausgang des Krieges sollten sich die Peiniger des Jemen daran erinnern, was entlang der saudi-jemenitischen Grenze bereits im Jahr 2009 geschah, als Ansarallah noch eine viel kleinere, isoliertere und weniger erfahrene Militärmacht war. Der Ankauf pakistanischer oder ägyptischer Truppen wird das Problem daher nicht lösen - beide Regime befinden sich ohnehin in der Krise und sind nicht einmal in der Lage, ihre eigenen Extremisten einzudämmen.
Die Wertschätzung für Iran unter Irakern, Syrern, Bahrainern, Omanern und Jemeniten begründet sich auf Irans Unabhängigkeit, partizipativ-islamistische Regierung (der Westen behauptet nichtsdestotrotz das Gegenteil), Zivilisation, Toleranz und Ablehnung von spalterisch-konfessionellen Ideologien.
Entgegen der faulen Vorwürfe, die zweifellos weiter gegen Iran erhoben werden, geht es bei der Aggression gegen Jemen nicht um die angebliche regionale Dominanz der Islamischen Republik, sondern darum, die Bestrebungen der jemenitischen Bevölkerung zum Schweigen zu bringen.
Wer Bürgerkrieg, Extremismus und Krieg verbreitet, der sollte über die letzten Worte Lady Macbeths nachdenken: „Noch immer riecht es hier nach Blut; alle Wohlgerüche Arabiens würden diese kleine Hand nicht wohlriechend machen.“
Erstmals veröffentlicht am 2. April 2015 bei Al Jazeera. Übersetzt von Rebecca Chen.
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Dennoch wissen die Saudis tief in ihren Herzen, dass Iran weder die Kapazitäten noch die Absicht hat, ein solches Imperium zu errichten. Was die Saudis tatsächlich ärgert, ist, dass sie von ihren jahrzehntelangen Fehlern in der Region und ihrer Unfähigkeit, sich ins 21. Jahrhundert zu bewegen und ihre Gesellschaft und Politik von einem Familienunternehmen in einen richtigen Staat umzuwandeln, eingeholt werden. Sie scheinen nicht zu realisieren, dass - ob mit oder ohne Iran - sich die Schiiten in Saudi-Arabien nicht auf Dauer mit dem Status einer zweitklassigen Staatsbürgerschaft zufrieden geben werden. Die bahrainschen Schiiten brauchen Iran ebenso wenig, um ihnen zu zeigen, dass ihre Lebensumstände an Unmenschlichkeit grenzen oder dass Saudi-Arabien Bahrain in eine virtuelle Kolonie und zu einem Zentrum für alkoholische Exzesse für seine Bürger, die dies zu Hause nicht tun können, umgewandelt hat. Ich habe miterlebt, wie Flugladungen voller Saudis nach Bahrain kommen, ohne das Land formell zu betreten, Stunden damit verbringen, in der Transit-Lounge sich zu betrinken. Genauso wenig müssen die irakischen Schiiten von Iran daran erinnert werden, dass schon bevor die Dynastie al-Saud die Kontrolle über die gesamte Arabische Halbinsel erlangte, sie und ihre Partisanen ihre Heiligtümer 1802 überfielen und ausraubten, dass das saudische Königshaus später das mörderische Regime von Saddam Hussein und seine Kriegsmaschinerie finanzierte und nun seit dem Sturz Saddams alles dafür tut, um das erstmalige Mitspracherecht der Schiiten zu beseitigen.
Geht man nach Südasien, so sind pakistanische und afghanische Schiiten ebenfalls nicht auf den Hinweis Irans angewiesen, dass saudische Ideologie und Gelder die Wurzel von Gruppen wie den Taliban und anderen sunnitischen Extremisten sind, die das Töten von Schiiten als Wochenendsport betrachten. Selbst viele sunnitische Pakistanis sind sich der destruktiven Auswirkungen des saudischen Einflusses auf ihre pakistanische Kultur und Gesellschaft bewusst und möchten nicht in deren aggressiven Plänen involviert werden. Allerdings sind Pakistans Militär und Eliten von saudischem Geld regelrecht süchtig geworden.
Im Jemen reicht die Aggression Saudi-Arabiens gegen das Land bis ins Jahr 1803 zurück. Später nach den Kriegen 1943 verleibte sich Saudi-Arabien Regionen im Jemen wie Asir und Jizan ein und schließlich Najran mit seiner substantiell schiitisch-ismailitischen Bevölkerung, die daraufhin miserabel behandelt wurde. Zu der Zeit war Iran nicht einmal in der Lage, seine eigenen Grenzen zu verteidigen, umso weniger Saudi-Arabien zu bedrohen oder gar an der Errichtung eines Imperiums zu denken. Wenn jemand dabei war, ein Imperium zu errichten, dann waren es die al-Sauds, die die Haschemiten verdrängten und ihr Gebiet im Jemen und der restlichen Halbinsel ausdehnten. Faktisch ist die Geschichte des saudischen Königshauses eine ununterbrochene Geschichte der Errichtung eines Imperiums.
Außerdem - falls Teheran Einfluss auf saudische Schiiten habe – so finanziert Saudi-Arabien Irans Dissidenten in Belutschistan. Des Weiteren unterstützt Riad die separatistischen Bewegungen unter der arabischen Minderheit in Iran und versucht zudem, den Wahhabismus unter der sunnitischen-iranischen Bevölkerung zu verbreiten.
Historische Feindseligkeit gegenüber Iran
Diese saudische Feindseligkeit gegen Iran ist nichts Neues und ist ebenso wenig das Ergebnis einer revolutionären Bedrohung durch Iran. Diese Feindseligkeit entspringt in erster Linie dem tief sitzenden Hass der Wahhabiten auf die Schiiten sowie der generellen arabischen Ablehnung Irans aus komplexhaften Gründen.
Heute geben die Saudis und andere arabische Regierungen vor, den Sturz des Schahs von 1978 zu bedauern und beschuldigen sogar Amerika, den Schah gehen gelassen zu haben. Doch es waren die Araber, die die Opponenten des Schahs finanzierten und sie in ihren Camps in Jordanien und Libanon ausbildeten. Im Jahr 1976 senkten die Saudis hinzukommend die globalen Ölpreise, was eine Rezession in Iran verursachte, die dann dazu beitrug, dass die Unzufriedenheit im Land verstärkt wurde – über die Islamisten und linken Oppositionellen hinaus - und damit wiederum zur Islamischen Revolution beitrug. Die Saudis hofften, dass wenn Iran von der Bildfläche verschwindet, sie die unangefochtene Führung und Amerikas neuer Günstling in der Region würden. Zuvor bekämpften die Saudis den iranischen Einfluss in Pakistan und Afghanistan und streuten die Saat für den kulturellen Wandel aus, der Pakistan von einem relativ fortschrittlichen muslimischen Land in eine fatale Brutstätte islamischen Obskurantismus und Radikalismus verwandelte. Wenn die Saudis Iran und den Schah für eine Weile tolerierten, dann nur weil sie noch mehr Angst vor den Kommunisten und den Nasseristen hatten.
Die Sorte Iran, die den Saudis, den arabischen Scheichtümern und manch anderen Arabern gefallen würde, wäre ein nicht-existenter Iran. Der Islamische Staat (ISIS oder IS) zum Beispiel stellt sich die Demontage und Eingliederung Irans in ein größeres islamisches Kalifat vor, das Khorasan heißen soll. Der einzige Haken an dem Plan ist, dass wenn sobald Iran sich auflöst, die Türken und Araber darüber streiten würden, wer das neue islamische Kalifat betreiben dürfe. Heute dürften Präsident Erdogan und König Salman dicke Freunde sein. Auf lange Sicht ist es jedoch unwahrscheinlich, dass Erdogan, der von einer Auferstehung des Osmanischen Reichs träumt, die zweite Geige für die Saudis spielen wird.
Die Liste der saudischen Aktionen zum Schaden des Westens endet hier nicht. Heute weiß jeder von der Unterstützung sunnitischer Terroristen durch saudische Staatsbürger und die zerstörerischen Auswirkungen der wahhabitischen Ideologie selbst in weit abgelegenen Regionen wie Nigeria und Somalia. Und doch geben sich die USA und andere westliche Länder weiterhin Saudi-Arabien hin. Indem sie alles mit Blick auf das Öl und dessen Preise beurteilten und sie sich durch das „zu groß werden“ des Schahs irritieren ließen, verfolgten sie eine Politik, die dabei half, seinen Abtritt zu beschleunigen und läuteten den größten strategischen Rückschlag des Westens in der Region ein, was zur Hauptursache für dessen Probleme in den letzten Jahrzehnten wurde.
Was der Westen versäumt hat
In der jüngeren Zeit ignorierte der Westen - teilweise auf saudischen Druck hin - Entwicklungen in Iran, wie die der Entstehung eines reformistischen Diskurses über den Islam und führten ihre Isolationspolitik fort. Durch seine Unterstützung der Nordallianz verhinderte Iran die komplette Übernahme Afghanistans durch die Taliban und half später wesentlich dabei, den Wechsel nach dem Sturz der Taliban zu erleichtern. Trotzdem benannten die USA Iran als Mitglied der „Achse des Bösen“, während die Saudis und Pakistanis weiterhin die Taliban unterstützten und damit die US-Bemühungen in Afghanistan untergruben.
Führende westliche Politiker hören weiterhin auf ihre saudischen Strippenzieher in Syrien, im Irak und sonst wo, ohne zu realisieren, dass sich die Saudis überhaupt nicht für Demokratie in Syrien oder an einem anderen Ort im Nahen Osten interessieren. Im Gegenteil, sie fürchten sich vor der Demokratie, wie ihre Politik in Ägypten eindrucksvoll zeigt. Das Ziel der Saudis ist es, die Dynastie an der Macht zu halten, komme was wolle. Prinz Nayef Bin Abdul Aziz sagte es kurz und bündig: „Wir haben unsere Macht durch das Schwert erlangt und werden sie durch das Schwert behalten“ – selbst wenn das Schwert von Pakistanis, Ägyptern, IS und anderen geschwungen wird.
Das Problem ist, dass sich die Welt verändert hat und das Schwert möglicherweise nicht mehr ausreicht, um die Saudis zu beschützen. Die große Frage ist nun, ob der Westen und insbesondere die USA weiterhin den paranoiden Wahn al-Sauds gegenüber Iran abkaufen und Saudi-Arabien weiterhin als Freund und strategischen Wert sehen werden, oder ob der Westen Riad endlich als den Raubvogel erkennt, der es geworden ist. Keine noch so große Menge an billigem Öl kann letztlich das Geld und Blut kompensieren, das die USA investiert haben, um Saudi-Arabien vor der übergreifenden politischen Modernisierung in der Welt zu schützen.
Erstmals veröffentlicht am 1. April 2015 bei LobeLog. Übersetzt von Rebecca Chen.
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Wie die regimeeigenen Arbeitnehmervertreter in der „Iranian Labour News Agency“ (ILNA) beklagen, ist die Erhöhung zwar ein positiver Schritt, aber sie unterschreitet die Grenze, die für die Befriedigung der alltäglichen Bedürfnisse nötig wären. Mehran Jafari, der Arbeitnehmervertreter von „Isfahan Sepahan Cement“, schreibt in der ILNA, dass die Mindestlohnerhöhung nicht „außerordentlich“ sei. Er erklärt darin weiter, dass die Rowhani-Regierung den Mindestlohn um 25 Prozent erhöhen hätte müssen - und nicht bloß um 17 Prozent – damit sie die Wahlversprechen der letzten beiden Jahren, seit denen sie an der Macht ist, erfüllen hätte können.
Darüber hinaus fällt der neue Mindestlohn nach den amtlichen Statistiken unter die Lebenserhaltungskosten einer mittelgroßen Familie. Die Arbeiterfraktion im iranischen Parlament führte am 25. November 2014 sowohl die Zahlen des iranische Statistikamts als auch der Zentralbank an, die besagen, dass die Lebenshaltungskosten einer mittelgroßen Familie bei 18.000.000 bzw. 25.000.000 Rial im Monat liegen. Wenn man berücksichtigt, dass nach der amtlichen Statistik die Armutsgrenze für eine vierköpfige Familie unter 16.000.000 Rial liegt, wird deutlich, dass der neue Mindestlohn eines einzelnen Arbeiters in Höhe von 7.121.240 Rial im Monat bei Weitem nicht die Grundbedürfnisse der iranischen Arbeiterschaft deckt.
Was darüber hinausgeht - die gesamten Schwierigkeiten, mit denen die iranischen Arbeiter konfrontiert sind – würde den Rahmen dieser Kurzanalyse sprengen. Darunter fiele beispielsweise die Möglichkeit, dass die amtlichen Statistiken die Inflation und Lebenshaltungskosten zu gering bemessen oder einige öffentliche und private Einrichtungen sich vermutlich nicht an den Mindestlohn halten oder die Tatsache, dass es in vielen Haushalten auf dem Land nur einen berufstätigen Erwachsenen gibt.
Die iranische Arbeiterklasse, die nach mehreren Quellen rund 13 Millionen Berufstätige und damit weitere Millionen Angehörige ausmacht, ist insbesondere seit 1989, als Iran den globalen Trend folgte und markwirtschaftliche Reformen umsetzte, mit einer stetigen Talfahrt konfrontiert. In den letzten Jahren haben die Privatisierung des öffentlichen Sektors, Misswirtschaft, Sanktionen und die steigende Billigimporte aus Ländern wie China und Indien die Arbeitsplätze auf breiter Front in arger Bedrängnis gebracht. Unter der populistischen Regierung Mahmoud Ahmadinejads hatte sich dieser Trend beschleunigt und die Bedingungen der Arbeiter verbesserten sich nicht wirklich, obwohl langfristige politische Maßnahmen, wie in der öffentlichen Gesundheitsversorgung, und neue Strategien, wie die Bargeldauszahlungen im Zuge der Subventionsreform, die Last ein wenig abgefedert hat.
Das Überraschende ist nun, dass die iranische Arbeiterklasse trotz ihres düsteren Zustands und ihres potentiellen ökonomischen und politischen Einflusses, in der politischen Elite Irans stark unterrepräsentiert geblieben ist. Obwohl offizielle Gewerkschaftsorganisationen existieren, sind sie alles andere als unabhängige Interessenvertreter der iranischen Arbeiter, deren eigene autonome Organisationen systematisch verdrängt wurden. Und man möge daran denken, dass gar die offiziellen Gewerkschaften mit der Leistung der Regierung bislang unzufrieden gewesen sind.
Erstmals veröffentlicht am 18. März 2015 bei IranPolitik. Übersetzt von Ralf Abbasi.
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Die große Mehrheit der muslimischen IranerInnen betrachtet die iranischen Gesetze als Schariakonform. (Quelle: PEW)
Die große Mehrheit der muslimischen IranerInnen (82 Prozent) betrachtet die Gesetze der Islamischen Republik als sehr oder mäßig konform mit der Schari’a, also vereinfacht gesagt mit dem Islamischen Recht. Nur jede/r achte iranische/r MuslimIn (13 Prozent) betrachtet die Gesetze in Iran als wenig oder gar nicht konform mit dem Islam.
Nur etwa jede/r siebte IranerIn ist gegen die Umsetzung des Islamischen Rechts in Iran. (Quelle: PEW)
Auch wurde gefragt, inwiefern die IranerInnen überhaupt die Umsetzung Islamischen Rechts in Iran wünschen. Auch hier antworteten knapp über achtzig Prozent der Befragten positiv. Nur 15 Prozent der Befragten äußerten, dass sie keine Umsetzung der Sharia in Iran wünschten.
Politik und Klerus
Nur jede/r zehnte IranerIn wünscht sich gar keinen Einfluss religiöser Personen auf politische Fragen. (Quelle: PEW)
Die Islamische Republik steht und fällt – auch ihrem Selbstverständnis nach – mit dem Rückhalt ihrer religiös-politischen Kader innerhalb der Bevölkerung. Zwei Drittel (66 Prozent) der IranerInnen wünscht sich, dass Religionsführer in politischen Fragen in großem und mäßigem Stile mitmischen. Etwa jede/r fünfte (19 Prozent) ist für einen geringen Einfluss und nur jede/r zehnte IranerInnen (11 Prozent) wünschen sich gar keinen Einfluss. Damit stehen zwar deutlich mehr IranerInnen hinter den „Mullahs“ in ihrem „Regime“, als manche Exil-iranische Gruppen schätzen, jedoch würde die Islamische Republik mit diesen Zahlen voraussichtlich keine über neunzigprozentige Zustimmung zu ihrer Verfassung mehr bekommen, wie sie es bei der zweiten entscheidenden Abstimmung im Dezember 1979 erhielt.
Sozial-Religiöse Spannungen
Spannungen zwischen sehr religiösen und weniger religiösen Muslimen werden von fast allen Befragten wahrgenommen, wenn auch verschieden ausgeprägt. (Quelle: PEW)
Etwa die Hälfte (49 Prozent) der Befragten gab an, dass Spannungen zwischen sehr religiösen Muslimen und nicht so religiösen Muslimen in Iran gar nicht oder nur wenig vorhanden seien. Demgegenüber nahm etwa jede/r Siebte (14 Prozent) eine sehr präsente Polarisierung wahr, weitere 30 Prozent eine mäßig präsente.
Das „PEW Research Center“ liefert mit seinem Untersuchungsdesign der Durchführung der Befragung innerhalb Irans und einer gemäß den Regeln der Sozialforschung aufwendig gezogenen Stichprobe im Vergleich zu bisherigen Studien validere und weniger angreifbare Daten. Zu klären wäre, inwieweit die Befragten während des Interviews die Ergebnisse durch sogenannte „soziale Erwünschtheit“ verzerrt haben: Zum einen sind gesellschaftskonforme Antworten nicht auszuschließen, andererseits könnten sich aber die Befragten aufgrund einer Erwartungshaltung gegenüber einen westlichen Forschungsinstitut liberaler oder westlicher gegeben haben, als sie es eigentlich sind.
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Auch das militärische Engagement der pro-iranischen Hisbollah in Syrien hat die „Partei Gottes“ nicht - wie im Westen vorhergesagt - im Libanon geschwächt, sondern ganz im Gegenteil erheblich gestärkt. Indem die Hisbollah begann, die libanesisch-syrische Grenze zu stabilisieren, nachdem es Übergriffe von Jihadisten von Syrien aus auf die Grenzregion gab, hat das auf das religiös-politische Staatsoberhaupt Irans, Ayatollah Ali Khamenei, eingeschworene Paramilitär das Überschwappen der militanten Salafisten nach Libanon unterbunden. Ohne die militärische Intervention der Hisbollah in Syrien wäre dem Libanon voraussichtlich ein ähnliches Szenario wie dem Irak als der „Islamische Staat“ (IS) das Land überrollte widerfahren. Heute genießt die schiitische Hisbollah daher vor allem bei den Christen im Libanon, die insgesamt 45 Prozent der libanesischen Bevölkerung ausmachen, eine enorme Popularität.
So ergab eine repräsentative Umfrage des „Beirut Center for Research and Information“ vom Oktober 2014, dass 66 Prozent der Christen Libanons die Hizbullah als Beschützer ihres Landes vor den salafistischen Extremisten ansehen. Eine Prozentzahl, die vermutlich aufgrund der anhaltenden Gräueltaten der Jihadisten gegen Christen inzwischen noch höher liegen dürfte. Selbst der Journalist und scharfe Kritiker der Hizbullah Lokman Slim, glaubt, dass mittlerweile 80 bis 90 Prozent der Christen im Libanon auf Seiten der Hizbullah sind.
Somit müssen ebenso hier westliche Strategen ihre fehlerhaften Analysen eingestehen, die Hizbollah würde durch das „militärische Abenteuer“ in Syrien massiv im eigenen Land sich selbst schaden. Demgegenüber hat allein IranAnders bereits im Mai 2013 prognostiziert, dass - im Zuge des Erstarkens des militanten Salafismus im Nahen Osten - Iran und seine schiitischen Verbündeten gewissermaßen in die Rolle einer Schutzmacht der Christen im Orient fallen werden.
Irans Beziehung zu den palästinensischen Widerstandsgruppen
Als nach Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien die Hamas ihr politisches Büro von Damaskus nach Katar verlegte und damit ein gewisser Riss in der „Achse des Widerstands“ entstanden ist, verkündeten westliche Medien einen Bruch in der Beziehung zwischen Teheran und dem Gazastreifen. In Wirklichkeit hat aber die Islamische Republik Iran die Hilfe an die gemäßigte sunnitische Hamas - entgegen wunschdenkerischen Verlautbarungen - nie gestoppt, und nach Aussagen mehrere führender Hamas-Mitglieder, wie der des Mitbegründers Mahmoud al-Zahar, sei Iran gar Teilhaber beim „Sieg“ gegen Israel im 50-Tage–Krieg des letzten Jahres.
Hinzu kommt, dass Teheran seine Beziehungen zum pro-iranischen „Islamischen Jihad“ in Palästina intensiviert und zur arabisch-nationalistischen PFLP systematisch ausgeweitet hat. Selbst mit der Fatah, der Partei des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmoud Abbas, sind die Beziehungen verbessert worden und mehrere ranghohe iranische Entscheidungsträger und Offizielle kündigten ernsthafte Schritte zur Bewaffnung des Westjordanlandes an.
Abschließend lässt sich feststellen, dass die westlichen Strategen abermals Irans Fähigkeit, von Krisen zu profitieren, unterschätzt haben. Nicht nur, dass der syrische Konflikt die Führung in Teheran nicht wie erhofft Schachmatt setzte - nein, er hat ihr sogar ermöglicht, sich als Regional- und Schutzmacht zu profilieren und ihr militärisches Potential auszudehnen.
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Der GCC ist allein schlichtweg nicht stark genug, um die iranische Macht herauszufordern. Darüber hinaus ist der Rat verwundbar gegenüber den revolutionären Gesinnungen, die durch den Arabischen Frühling offengelegt wurden, als auch gegenüber den gewaltsamen Angriffen von sunnitischen Extremisten. Ähnlich sieht es in Ägypten aus, wo die Wirtschaft in einem desolaten Zustand sich befindet und die Regierung wegen der Spaltungen innerhalb der Gesellschaft zu sehr mit Interna beschäftigt ist, als das sie die iranischen Ambitionen ausbalancieren könnte. Und was dem Irak angeht, so befindet sich dieser auf bestem Weg, ein Bündnis mit Iran zu bilden, und damit wären die vergangenen Feindseligkeiten zwischen beiden Staaten endgültig begraben.
Die primäre Bedrohung für die Stabilität in der Region ist derzeit der Konflikt zwischen unterschiedlichen sunnitischen Akteuren und Gruppen als der zwischen Sunniten und Schiiten oder zwischen dem „Islamischen Staat“ (IS) und dem Westen. Diese jüngsten Konflikte wurden sowohl durch eine Reihe von gescheiterten Staaten als auch durch die Zurückhaltung außerregionalen Mächte, insbesondere die der westlichen Mächte, verschärft. Die USA und Großbritannien sind durch ihr Versagen, Irak und Afghanistan zu befrieden, weiterhin traumatisiert, und die Türkei zeigt kein Interesse daran, entweder im Auftrag ihrer westlichen oder arabischen Verbündeten ihr Gewicht gegen den IS einzusetzen. Diese Situation hinterlässt damit eine lose Koalition von schiitischen Milizen einschließlich der Islamischen Republik Iran, der Hisbollah, der kurdischen Peshmarga und der irakischen und syrischen Armeen, die den Haupanteil der Bodentruppen ausmachen, die gegen den IS vorgehen.
Es besteht eine reale Gefahr, dass ein Machtvakuum in der Region entstehen könnte. Die USA haben sich entschieden, ihre außenpolitischen Bemühungen auf den östlichen Teil Asiens zu fokussieren und ihre direkten Beteiligungen im Nahen Osten einzuschränken. Selbstredend hat die USA dadurch ihre Fähigkeit, Krisen in dieser Region zu verwalten oder militärische Bodentruppen gegen Extremismus und Terrorismus geltend zu machen, erheblich geschwächt. Als Ergebnis hat das ihre Verbündeten in der Region für Destabilisierungen anfällig gemacht. Diese haben noch keine gemeinsame Strategie ausgearbeitet, die Stabilität und Frieden wiederherstellen könnte.
Ein möglicher Ausweg aus dieser gefährlichen Sackgasse könnte daher der sein, dass die westlichen Staaten im Kampf gegen den Islamischen Extremismus, wie den des „Islamischen Staates“ (IS), Iran als Verbündeten anwerben, indem sie ihm die Aufhebung der Sanktionen in Aussicht stellen. Das würde ferner Europa ermöglichen, Russland auszumanövrieren, falls es beabsichtigt, die Öl- und Gasversorgung nach Westeuropa einzustellen. Eine solche Vereinbarung würde die direkte Zusammenarbeit zwischen Iran und dem Westen ebnen und damit den Weg für eine gemeinsame Anstrengung, die Stabilität in der Region und im weiteren Sinne in der muslimischen Welt wiederherzustellen. Es würde pikanterweise auch Irans Ruf als das stabilste Land in der Region zementieren.
Dr. Fariborz Saremi ist Mitglied bei der „International Strategic Studies Association“ (ISSA), eine wichtige Denkfabrik, die weltweit Regierungen in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik berät. Erstmals veröffentlicht am 30. Januar 2015 bei CounterPunch. Übersetzt und redigiert von Nour El-Chacker und Thomas Effe.
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Bernd Erbel: Ich würde sagen, es ist in erster Linie der Stil, der sich geändert hat. Denn in der Substanz bot auch die Ahmadinedschad-Zeit durchaus Möglichkeiten, zu Verhandlungsergebnissen zu kommen, aber der Stil von Ahmadinejad hat eine Menge Probleme geschaffen. Ich habe mir sehr viele der Äußerungen von Ahmadinejad genau angeschaut, und ich muss sagen, Ahmadinejad hat noch nicht einmal ein Drittel von dem gesagt, womit man ihn zitiert hat. Andere Äußerungen wurden sehr einseitig interpretiert. Aber es bleibt eine Tatsache, dass Ahmadinejad die falschen Schlussfolgerungen und zum Teil auch bewusst falschen Übersetzungen seiner Äußerungen im Ausland nicht in einer Art und Weise richtiggestellt hat, wie das geboten gewesen wäre. Das heißt, unabhängig davon, was Ahmadinejad nun wirklich im Einzelfall gesagt oder nicht gesagt hat oder wie seine Äußerungen interpretiert werden konnten: Sie haben Iran geschadet.
Als dann Präsident Rohani die Wahl gewann und einen anderen Stil einführte, merkte man, dass diese Veränderung sehr wohl positive Folgen hatte, die nur wenige Monate auf sich warten ließen. Im September 2013 reiste Rohani nach New York zur Vollversammlung der Vereinten Nationen und schon im November wurde das vorläufige Interimsabkommen über die Nuklearfrage geschlossen. Es gab also sehr schnelle Fortschritte.
Aber ich glaube, man muss trotzdem sagen, dass die USA den entscheidenden Positionswandel in der Sache vorgenommen haben. Präsident Obama will in seiner zweiten Amtszeit, in einer Phase, in der er nicht mehr auf seine Wiederwahl hinarbeiten muss, in der er somit auch über mehr Flexibilität verfügt, eines der großen Probleme der Zeit lösen - und zwar auf friedliche und diplomatische und nicht auf militärische Weise. Dieser Wille auf der Seite von Präsident Obama war die entscheidende Veränderung, die dann dazu geführt hat, dass ernsthafte Verhandlungen begonnen wurden.
IranAnders: Die erste Frist für eine grundsätzliche oder politische Einigung läuft nun bis Ende März. Falls es nicht zu dieser Einigung kommen sollte, was würde nach Ihrer Einschätzung geschehen?
Bernd Erbel: Wenn es zu keiner Einigung kommt, wird der US-Kongress verschärfte Sanktionen beschließen. Falls in der internationalen Gemeinschaft allerdings der Eindruck vorherrscht, dass das Scheitern des Abkommens im wesentlichen auf US-Positionen zurückgeht, ist es fraglich, ob sich manche Staaten diesen Sanktionen noch ebenso unterordnen würden, wie dies vorher der Fall war. Auf der anderen Seite würde ein Scheitern dazu führen, dass in Iran die Anreicherung auf 20% wieder aufgenommen würde. Iran könnte sogar theoretisch beschließen, ein atomgetriebenes Schiff zu bauen, wofür man auf 80% angereichertes Uran benötigt. Damit käme Iran der Prozentzahl sehr nahe, die für die Herstellung von militärischem Nuklearmaterial notwendig ist. Das wäre sicherlich eine sehr unheilvolle Entwicklung. Sie würde zwar nicht dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) als solchem widersprechen, aber den Sicherheitsratsresolutionen, die weit über die Erfordernisse des NPT hinausgehen.
In einem solchen Falle würde auch die Kriegsdrohung seitens Israels wieder in den Vordergrund treten. Wir würden zu einer gefährlichen Eskalation zurückkehren, wobei ich davon ausgehe, dass - ganz egal wie weit diese Eskalation gehen würde - Iran nicht versuchen würde, tatsächlich eine Atombombe zu bauen. Hierzu ist Iran nach meiner Einschätzung zu rational, denn das würde eine ungeheure Gefahr für das Land darstellen.
In jedem Fall kann man sagen, dass ein Scheitern der Verhandlungen eine Lose-Lose-Situation hervorbringen würde, während eine Einigung ein Win-Win-Ergebnis zur Folge hätte, das auch im objektiven Interesse der Parteien läge, die jetzt noch eine Lösung zu verhindern trachten.
IranAnders: Teilen Sie also die im Westen kaum in Erwägung gezogene iranische Betrachtung, dass der Besitz einer Atomwaffe der Islamischen Republik schaden würde, weil dies zum atomaren Wettrüsten führt, wodurch ihre momentanen militärisch-geopolitischen Vorteile als auch ihre militärisch-konventionelle Überlegenheit völlig wettgemacht werden?
Bernd Erbel: Es ist sowieso so: Wer eine Atomwaffe besitzt, ist in der gefährlichsten Phase seiner Geschichte. Wer keine Zweitschlagskapazität hat, lebt mit einer Atombombe sehr viel unsicherer als ohne. Das heißt: Es gibt sehr viele rationale Gründe, dies nicht zu tun. Andererseits denke ich, dass die Produktion von Strom und nuklearmedizinischen Produkten allein keine ausreichende Erklärung für das iranische Nuklearprogramm war. Dazu war der Aufwand zu groß.
IranAnders: Aber ist dieser erhöhte Aufwand nicht eher deshalb aufgewendet worden, damit das Land im Zuge der verschärften Sanktionen mehr Verhandlungsmasse generieren kann?
Bernd Erbel: In den Jahren seit 2010 war es ganz sicherlich so, dass die Intensivierung der Sanktionen dazu geführt hat, dass auch Iran an der Schraube, an der es selber drehen konnte, gedreht hat, um den Preis seinerseits zu erhöhen. Aber ich denke, neben den zivilen Nutzungen war es auf längere Sicht Hauptgrund für das Nuklearprogramm, den Beweis dafür zu erbringen, dass Iran trotz Hindernissen und Sanktionen zu höchsten wissenschaftlichen und technologischen Leistungen in der Lage ist und dem Land eine angemessene Rolle in der Region zusteht.
Iran erklärt seit vielen Jahren, dass es keine Produktion von Atomwaffen oder anderen Massenvernichtungswaffen anstrebt, da dies gegen Religion und Moral verstoßen würde. Diese Erklärungen allein reichen natürlich für den Westen nicht aus, um das Nukleardossier für gelöst zu erklären. Sie haben aber durchaus starke Wirkungen nach innen, da die iranische Regierung argumentieren kann: Wenn wir eine Übereinkunft schließen, mit der wir unser Nuklearprogramm stark begrenzen, dann tun wir nichts, was wir nicht schon längst angekündigt haben und was wir nicht schon längst für richtig erklärt haben. Denn wir wollen keine Atomwaffen bauen, sondern eben nur das nukleare Potenzial für Energieerzeugung, Nuklearmedizin und verwandte Felder nutzen.
IranAnders: Herr Botschafter, wir sind nun am Ende des Interviews gelangt. Wollen Sie noch etwas zu der deutsch-iranischen Beziehung sagen?
Bernd Erbel: Ja, ich denke, dass Iran und Deutschland, obwohl sie geographisch relativ weit voneinander entfernt sind, ein ungewöhnlich freundschaftliches Verhältnis zueinander haben und durch eine enge geistige Verwandtschaft in der Philosophie, der Dichtung und auf vielen anderen Gebieten verbunden sind. Von iranischer Seite genießt Deutschland großen Respekt und großes Vertrauen, das keinem anderen Land in gleicher Weise entgegengebracht wird. Tausende von Iranern, die als Ärzte, Ingenieure und in anderen Berufen bei uns arbeiten, genießen in Deutschland hohe berufliche und menschliche Anerkennung. Diese über lange Jahre gewachsene Freundschaft und dieses Vertrauen stellen einen historischen Schatz dar, den es unbedingt zu bewahren gilt. Kurzfristige politische Gegensätze oder unterschiedliche Positionen, die unsere Geschichte nicht prägen, dürfen nicht dazu führen, dass die Substanz unserer Beziehungen beeinträchtigt wird. Deutschland und Iran haben sich in der Vergangenheit nie bekämpft, sie waren nie Teile von Allianzen, die gegeneinander gerichtet waren. Und deshalb glaube ich, war es in den letzten Jahren - und ist es nach wie vor - außerordentlich wichtig, alles zu tun, um diesen historischen Schatz von Freundschaft zu erhalten. Denn wenn man etwas Wertvolles geerbt hat, dann sollte man dieses Erbe nicht verlieren, sondern man sollte es bewahren, nach Möglichkeit mehren und es dann an seine Kinder und Enkel weitergeben. Das ist, glaube ich, im Falle von Deutschland und Iran von weitreichender Bedeutung.
IranAnders: Herr Erbel, haben Sie vielen Dank für dieses sehr interessante und ausführliche Gespräch.
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Irans Politik gegenüber Syrien wird vor allem von zwei Faktoren bestimmt:
Die iranische Unterstützung für Assad basiert auf pragmatischen Erwägungen und ist kein ideologisches Engagement. Teheran könnte im Gegenzug für ein umfassendes Atomabkommen und die Anerkennung durch den Westen, eine entschiedene und unverzichtbare Macht in der Region zu sein, Assad fallen lassen.
Iran konnte seine Macht im Libanon und in Syrien durch die Hisbollah konsolidieren. Die Hisbollah hat heute eine politische Schlüsselrolle im Libanon inne. Während das aktuelle politische Vakuum im Libanon nicht neu ist, agiert die Hisbollah nun zum ersten Mal unabhängig vom Segen Assads. Das primäre Ziel der Hisbollah ist es, im Libanon an Macht zu gewinnen, für die sie die finanzielle und militärische Unterstützung Irans braucht. Sowohl die Hisbollah als auch Iran fürchten das Erstarken des IS in Syrien und im Irak.
Die USA und Europa sollten Iran den Rahmen zur Verfügung stellen, um von einem potentiellen Störenfried zu einem konstruktiven Mitglied der internationalen Gemeinschaft zu werden. Die Verhandlungen in der Atomkrise könnten vielleicht nicht erfolgreich sein. Aber Iran in den regionalen Beratungen nicht einzubeziehen, wird lediglich dazu beitragen, dass die Krisen fortdauern werden.
Dr. Fariborz Saremi ist Mitglied bei der „International Strategic Studies Association“ (ISSA), eine wichtige Denkfabrik, die weltweit Regierungen in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik berät. Erstmals veröffentlicht am 14. Januar 2015 bei CounterPunch. Übersetzt und redigiert von Thomas Effe.
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Erstmals veröffentlicht am 10. Februar 2015 bei Al-Monitor. Übersetzt von Ulrike Hintze.
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Unter anderem wird darin über die aus der Sicht der beiden Nahost-Experten wirklichen Schwierigkeiten beim angestrebten Atomabkommen zwischen den USA und Iran gesprochen und welche strategische Neuausrichtung Washington dabei in seinen Beziehungen zu Teheran vorzunehmen habe.
Des Weiteren wird die Frage behandelt, weshalb die Islamische Republik mehr Einfluss auf ihre Nachbarn hat, als ihn die Monarchie unter dem Schah je hatte.
Ferner wird die Jahrzehnte alte vorherrschende verzerrte Wahrnehmung in den USA über die Islamische Republik erörtert und wie der erstmalige Austausch mit iranischen Vertretern allmählich dazu führte, dass die beiden hochrangigen US-Diplomaten ihre wesentlichen Vorstellungen über die Islamische Republik revidierten und damit schließlich unter Protest gegen die Iran-Politik der US-Regierung vom Dienst zurücktraten.
Das lange Interview wurde an zwei Stellen, in denen nicht vordergründig das Thema Iran behandelt wird, kenntlich gekürzt.
Mashregh News: Ich würde gerne mit den folgenden Themen beginnen: Die Atomverhandlungen, die Verlängerung des Genfer Interimsabkommens sowie die positiven und negativen Reaktionen dazu in Iran, die Übernahme des Kongresses durch die Republikaner und die damit einhergehende Opposition zur Obama-Administration im Kongress als Hindernis für eine Einigung in den Atomgesprächen, die diplomatischen Aktivitäten zwischen Iran und der G5+1. Wie schätzen Sie die derzeitige Situation ein?
Hillary Mann Leverett: Ich denke, es ist nicht richtig, den Kongress als das Hindernis für einen Prozess zu bezeichnen, der ansonsten reibungsloser ablaufen würde. Ich schätze, eines der Probleme ist, dass die Obama-Regierung überhaupt entschied, in dieser Frage mit dem Kongress zusammenarbeiten zu wollen. Denn der Kongress wird ohnehin niemals einen vernünftigen Deal mit Teheran zustimmen – unabhängig davon, ob er demokratisch oder republikanisch ist. Der führende Unterstützer der Sanktionen gegen Iran ist ein Demokrat, Senator Menendez aus New Jersey. Er ist absolut für die Sanktionen. Das Thema hat daher weniger mit Demokraten und Republikanern zu tun.
Vielmehr ist das Problem, dass es bisher keine Direktive von der US-Regierung gegeben hat, die besagt, dass die Vereinigten Staaten aus eigenen Interessen heraus eine Einigung mit Iran brauchen, und dass sie alles Erforderliche unternehmen würden, um diese Einigung zu erreichen, genauso wie Präsident Nixon es in den 70er Jahren mit China gehalten hat. Nixon entschied damals - über die Opposition des Kongresses und der Anti-China-Lobby (die sehr stark war, so wie die Pro-Israel-Lobby heute) hinweg - dass die Vereinigten Staaten aus eigenem Interesse heraus bessere Beziehungen zu China haben müssen, und er flog dahin und bekam sie auch. So hat er es gemacht. In Bezug auf Iran wurde eine solche Entscheidung von der amerikanischen Seite ganz klar nicht getroffen.
Ich denke, dass es insbesondere an dem Abend, bevor die Verlängerung der Verhandlungen bekannt gegeben wurde, ein sehr schlechtes Zeichen war, als Präsident Obama vor der amerikanischen Öffentlichkeit nur über die Vorteile Irans bei einer Übereinkunft sprach: Iran hätte die Chance, wieder der internationalen Gemeinschaft beizutreten, und es wäre für Iran, einem Land mit 77 Millionen Einwohnern, gut, in die internationale Gemeinschaft zurückzukehren. Die Aufgabe eines amerikanischen Präsidenten ist aber nicht, Iran einen Gefallen zu tun. Die Aufgabe eines amerikanischen Präsidenten liegt darin, alles zu tun, was notwendig ist, um eine Übereinkunft zu erreichen, wenn es in amerikanischem Interesse liegt, sie zu bekommen. Das ist für mich hier das grundlegende Problem.
Flynt Leverett: Dem stimme ich absolut zu. Grundsätzlich ist die Ursache dafür, warum bisher kein dauerhaftes Abkommen erreicht wurde, die, dass die Vereinigten Staaten weiterhin darauf bestehen, dass Iran als Teil einer solchen Übereinkunft einige signifikante Teile seiner nuklearen Infrastruktur abzubauen habe. Möglicherweise muss die Anzahl der Zentrifugen, die die Vereinigten Staaten zu tolerieren bereit sind, erhöht werden. Aber so, wie ich die momentane Position der USA verstehe, verlangt Washington immer noch von Iran, ungefähr die Hälfte seiner in Betrieb befindlichen Zentrifugen abzubauen.
Iran lehnt dies ab, und die Ablehnung lässt sich gut mit dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) und dem internationalen Recht begründen. So wie ich es verstehe, ist Iran zwar bereit, die Kapazität seiner Zentrifugen für einige Zeit nicht zu vergrößern, aber das Land ist nicht bereit, sie zu verringern, bloß um die Vereinigten Staaten damit zufriedenzustellen. Darüber hinaus möchte Iran irgendwann in der absehbaren Zukunft die Kapazität der Zentrifugen unter internationaler Aufsicht wieder ausbauen können.
Wenn die Obama-Regierung bereit wäre, auf dieser Basis eine Übereinkunft auszuarbeiten, denke ich, könnte es eine Einigung in der Atomfrage innerhalb von Wochen geben. Technische Experten könnten die verschiedenen Details ausarbeiten und man hätte ein Abkommen. Es gibt aber kein Abkommen, weil die Vereinigten Staaten immer noch denken, sie seien in einer Position, in der sie die Bedingungen dafür diktieren könnten. In den Vereinigten Staaten herrscht noch immer folgender Ton: "Wie viele Zentrifugen sollten die Vereinigten Staaten Iran erlauben?" Für uns sieht es in diesem Punkt aber so aus, dass Iran gar nicht an einer Erlaubnis der Vereinigten Staaten für eine bestimmte Anzahl an Zentrifugen gebunden sein will. Das ist der Grund, warum es noch keinen Deal gibt.
Und nun werden die Republikaner den Senat kontrollieren. Ob das ein weiteres Hindernis für den Prozess sein wird? Ja, das denke ich schon. Was Hillary gesagt hat, ist zwar absolut richtig, dass es breite Unterstützung in beiden Parteien im Kongress für einen Gesetzesentwurf neuer Sanktionen gibt. Aber die Obama-Regierung konnte bis dato eine neue Gesetzesvorlage für Sanktionen verhindern, weil der aus dem Amt scheidende Mehrheitsführer des Senats, Senator Reid (ein Demokrat aus Nevada), diese nie zur Abstimmung auf die Tagesordnung gestellt hatte. Denn wenn sie jemals zur Abstimmung gestanden hätte, hätte eine große Mehrheit aus beiden Parteien für die Vorlage gestimmt. Der große Unterschied ist jetzt, dass Senator Reid nicht mehr länger der Mehrheitsführer sein wird. Ihm wird ein Republikaner nachfolgen, der bereits öffentlich angekündigt hat, dass die Republikaner eine Abstimmung für den Gesetzentwurf über neue Sanktionen zu Beginn des Jahres 2015 ansetzen werden, nachdem sie im Januar die Kontrolle im Senat übernommen haben. Sie werden eine Abstimmung für den Entwurf ansetzen, und wenn es wirklich zur Abstimmung kommt, wird eine Mehrheit aus beiden Parteien dafür stimmen.
Mashregh News: Hat Obama ungeachtet dessen die Macht, die Auferlegung neuer Sanktionen zu verhindern, und wird sich ihm der Kongress darin widersetzen?
Flynt Leverett: Es wäre ein Kampf. Es wäre ein echter Kampf. Präsident Obama hat gesagt, dass er ein Veto einlegen würde, wenn der Kongress neue Gesetzesentwürfe für Sanktionen verabschieden sollte, solange sich das Interimsabkommen in der Umsetzung befindet. Im Anbetracht der Bedingungen des Interimsabkommen musste er das wirklich so klarstellen. Aber er wurde damit bisher nie konfrontiert, weil Senator Reid dafür gesorgt hatte, dass dieser Entwurf nie zur Abstimmung gestellt wurde. Nun wird der Entwurf aber zur Abstimmung angesetzt. Wird Obama ein Veto einlegen, wenn die Gesetzesvorlage angenommen wird? Und ist er darauf vorbereitet, nach seinem Veto wirklich hart daran zu arbeiten, genug Demokraten im Senat hinter sich zu bringen, um sein Veto aufrechtzuhalten? Wird er es schaffen, genug Senatoren zu überzeugen, nicht erneut für die Vorlage zu stimmen und sein Veto zu überstimmen? Wenn in unserem politischen System der Kongress einen Gesetzesentwurf verabschiedet, kann der Präsident sein Veto einlegen, aber daraufhin kann der Kongress erneut darüber abstimmen, und wenn nicht nur eine Mehrheit, sondern eine Zweidrittel-Mehrheit für den Entwurf stimmt, dann wird er ungeachtet des Präsidenten-Vetos zu einem Gesetz. Wie hart ist Obama zu arbeiten bereit, um einen neuen Entwurf für Sanktionen gegen Iran zu verhindern? Erst muss er sein Veto einlegen, und danach muss er sehen, wie er es halten kann. Ich denke, es könnte eine echte Schlacht werden.
Mashregh News: Der Außenminister Saudi-Arabiens hat während der letzten Runde der Gespräche Wien besucht und sich mit John Kerry getroffen. Und die Gespräche mit Iran hatten dann kein anderes Ergebnis als die Verlängerung der Verhandlungen. Wie schätzen sie die Rolle Saudi-Arabiens ein?
Hillary Mann Leverett: Es gab zwei Treffen. Sie haben sich auch in Paris getroffen. Außenminister Kerry spricht sich sehr eng mit Prinz Saud al-Faysal und mit dem israelischen Premierminister Netanjahu ab. Ich denke, hauptsächlich aus innenpolitischen Erwägungen heraus. Die Obama-Regierung möchte dem einheimischen amerikanischen Publikum zeigen, dass sie die Interessen dieser langjährigen US-Verbündeten respektiert, und dass die Vereinigten Staaten keine Übereinkunft mit Iran unterzeichnen werden, die nicht mit deren Interessen übereinstimmt. Kerry und die Obama-Regierung hielten es für wichtig, zu zeigen, dass Israel und Saudi-Arabien beruhigt sind, und sie nichts tun, was diese Partner verärgern könnte. […]
Als wir unser Buch "Going to Tehran" geschrieben haben, haben wir bemerkt, dass sich die Vereinigten Staaten heute in einer ähnlichen Situation befinden wie in den 1960er Jahren. Als Nixon sein Amt antrat, standen die Vereinigten Staaten in Asien einer strategischen Katastrophe gegenüber. Wir steckten mit Zehntausenden getöteten Amerikanern in Vietnam fest. Zehntausende waren auch während des Korea-Kriegs getötet worden. Der Wert des Dollars fiel und die Wirtschaft schrumpfte. Wir hatten nicht mehr genug Geld, diese Kriege fortzuführen. Die Situation zwischen schwarzen und weißen Amerikanern in der Vereinigten Staaten war sehr schlecht, es gab überall Aufstände. Ende der 60er Jahre steckte Amerika in einer echten Krise.
Präsident Nixon war in so einer Zeit fähig, der amerikanischen Öffentlichkeit zu sagen, dass die Vereinigten Staaten Prioritäten setzen müssten und dass sie nicht länger hegemoniale Ziele in Asien verfolgen könnten. Das Streben nach hegemonialer Vorherrschaft in Asien war gegen die amerikanischen Interessen, und das ist der Grund, warum Nixon nach China ging. China hat den Vereinigten Staaten nichts gegeben, keine einzige Zentrifuge oder irgendetwas anderes. Aber Präsident Nixon stellte klar, dass die Vereinigten Staaten die Beziehungen zu China neu ausrichten mussten, damit Amerika aus Vietnam abziehen und seine Glaubwürdigkeit und seine strategische Geltung wiederherstellen konnte. In unserem Buch stellen wir dar, dass derselbe Führungsstil notwendig ist, um Amerikas Politik gegenüber Iran neu auszurichten.
Eine bessere Beziehung zu Iran zu haben, bedeutet nicht, dass die Vereinigten Staaten pro-iranisch werden oder die iranische Innenpolitik gutheißen würden. Aber eine normalisierte Beziehung bedeutet, dass Iran zu einer normalen Regionalmacht zwischen Saudi-Arabien, Israel und der Türkei aufsteigt, und diese Regionalmächte könnten sich gegenseitig ausbalancieren. Es gäbe dann einen normalen Ausbalancierungsprozess im Nahen Osten. Das bedeutet nicht, dass die Vereinigten Staaten diese Region komplett verlassen müssen, aber sie brauchen keine militärische Gewalt mehr in oder gegen Länder von Libyen über Syrien, Irak, Afghanistan und Iran bis Saudi-Arabien anzuwenden. Die Vereinigten Staaten haben viele Interessen im Nahen Osten, aber diesen Interessen wird nicht durch eine allgegenwärtige große militärische Präsenz gedient. In unserem Buch legen wir dar, dass die Vereinigten Staaten gegenwärtig diese Art der Politik anwenden müssten: Die Macht Irans zu akzeptieren, so dass Iran mit anderen Regionalmächten zusammen aufsteigen kann. […]
Mashregh News: Der amerikanische Präsident hat in einer beispiellosen Aktion seit der Islamischen Revolution drei Briefe an das religiös-politische Staatsoberhaupt geschrieben und mehr Entgegenkommen von Iran gefordert. Was halten Sie von Obamas Briefen an Ayatollah Khamenei? Sind sie ein Zeichen für Obamas Schwäche und die fehlende Effektivität der amerikanischen Politik in der Region?
Flynt Leverett: Es ist eine Schwäche. Obama ist nicht der erste Präsident, der dies getan hat, aber es ist eine Schwäche. Es besteht in den Vereinigten Staaten ein Widerwille, die Islamische Republik als politisches System zu akzeptieren - ich weiß, Sie mögen das Wort Nezam - die Islamische Republik als ein politisches System mit einer gültigen Verfassung zu akzeptieren. Es gibt darin ein religiös-politischen Staatsoberhaupt mit bestimmten Kompetenzen, es gibt einen gewählten Präsidenten mit anderen Kompetenzen, dann gibt es das Parlament, das seine eigene Kompetenzen hat und so weiter und so fort.
In den Vereinigten Staaten gibt es in diesem Zusammenhang seit eh und je die Wahrnehmung, dass die US-Regierung bloß nur einige Teile des politischen System Irans finden muss, mit denen sie zusammenarbeiten kann, um das zu erreichen, was sie will, und dass diese Teile des politischen Systems die anderen Teile umgehen könnten. Das hat nie gut funktioniert, aber die Vereinigten Staaten versuchen es immer wieder. Ich denke, das ist ein Teil dessen, was es mit dem Brief Präsident Obamas an Ayatollah Khamenei auf sich hatte.
Wir wissen nicht genau, was im letzten Brief stand. Wir kennen nur den Inhalt, wovon die amerikanischen Medien berichtet haben. Aber wenn diese Berichte halbwegs genau sind, unterstreichen sie nur, wie abwegig der amerikanische Ansatz ist. Für mich sagt der Brief Obamas an Ayatollah Khamenei im Grunde genommen Folgendes: OK, wenn Iran Konzessionen in der Atomfrage macht, wenn er Kompromisse bezüglich seiner Souveränität in der Atomfrage macht, dann werden die Vereinigten Staaten Iran erlauben, an der US-Militärkampagne im Irak und in Syrien teilzunehmen, die Iran bereits als schlechtes Konzept bewertet hat. Es besteht eine gewisse Realitätsferne in einer Botschaft wie dieser: Macht einen Kompromiss in einer für euch wichtigen Sache und ihr könnt Teil eines Vorhabens werden, von dem ihr bereits gesagt habt, dass ihr nicht teilnehmen werdet. Wir werden jetzt nicht darüber spekulieren wie Ayatollah Khameneis Reaktion war, wenn es wirklich diese Art von Brief ist, die er bekommen hat. Aber falls ich einen solchen Brief bekäme, würde ich mich wirklich über die strategische Logik der US-Politik wundern.
Mashregh News: Es gibt nun dieses Buch "Going to Tehran" von Ihnen, und es gibt eine Geschichte hinter diesem Buch: Hatten Sie schon immer die gleiche Meinung über Iran oder haben sich Ihre Ansichten geändert?
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Rechts Condoleeza Rice, neben ihr Flynt Leverett. |
Hillary Mann Leverett: Wir arbeiteten beide seit ungefähr 20 Jahren als Nahost-Experten in der US-Regierung. Trotzdem hatten wir nie einen Iraner getroffen, der die Islamische Republik unterstützt. Das, was wir über Iran gelernt (selbst von den besten US-"Experten" und US-Universitäten), gelesen und erfahren hatten, stammt nur aus dem Blickwinkel der Auslandsiraner, die während der Revolution oder des Krieges Iran verlassen hatten.
Wir hatten in der Tat diese Perspektive nie in Frage gestellt, bis ungefähr ein Jahr vor den Anschlägen vom 11. September, als ich vom Außenministerium in der US-Botschaft bei den Vereinten Nationen nach New York berufen worden bin. Ich war als Nahost-Expertin zuständig für die Angelegenheiten im Nahen Osten. Aber mir wurde auch das Arbeitsgebiet Afghanistan zugeteilt, weil zu dieser Zeit in der US-Regierung sich niemand für Afghanistan interessiert hatte, und ich war relativ neu und zudem wohl auch die einzige Frau in der US-Botschaft. So wurde mir Afghanistan "angehängt". Aber das war mein Glück, denn der UN-Beauftragter Lakhdar Brahimi hatte eine sehr gute Idee, nämlich Afghanistans sechs Nachbarn (was natürlich Iran mit einschließt) mit den Vereinigten Staaten und Russland zusammenzubringen, um die Kontaktgruppe "6+2" zu bilden.
Als ich anfangs an der Kontaktgruppe teilnahm, habe ich angenommen, dass der Delegierte aus Pakistan mein Verbündeter sein würde, weil Pakistan und Saudi-Arabien in den letzten 20 Jahren traditionelle Verbündete der Vereinigten Staaten gewesen sind. Aber als ich begann, mit dem pakistanischen Delegierten zu sprechen, stellte ich fest, dass er ein Befürworter der Taliban und Bin Ladens war, und er betrachtete eher Kandahar als Kabul als die Hauptstadt Afghanistans.
Und dann gab es den iranischen Delegierten. Laut US-amerikanischem Gesetz war es amerikanischen Offiziellen nicht einmal erlaubt, "Hallo" zu iranischen Offiziellen zu sagen. Es war uns nicht gestattet, sie an irgendetwas zu beteiligen - außer wenn man Mitglied in einer multilateralen Arbeitsgruppe zu einem Thema war, das nichts mit den iranisch-amerikanischen Beziehungen zu tun hatte. Dies konnte nur bei den Vereinten Nationen passieren, wo Iran und die Vereinigten Staaten über Friedenssicherung, Weltwirtschaft oder anderes sprechen konnten. Deshalb durfte ich mit dem iranischen Gesandten sprechen, denn es ging nicht um die Vereinigten Staaten und Iran, sondern um Afghanistan.
Die Gespräche waren sehr aufschlussreich, weil der iranische Delegierte sehr gut über Afghanistan und Zentralasien informiert war. Und so fing es an. Ich stellte fest, dass er nicht nur sehr gute Kenntnisse hatte und das Problem sehr genau verstand, sondern dass seine Auffassung der meinen sehr ähnlich war. Ich hatte nicht die Kenntnisse, die er besaß (er wusste viel mehr), aber seine Ansichten zu Afghanistan, zur Geopolitik im Nahen Osten und Zentralasien waren den meinen sehr viel ähnlicher, als die des pakistanischen Delegierten, der angeblich mein Verbündeter war. Und so begannen wir uns über Afghanistan zu unterhalten und einige unserer Positionen abzusprechen, weil sie sich so ähnlich waren.
Dann passierten die Anschläge vom 11. September. Meine Kollegen von der US-Botschaft und ich standen kurz davor, aus unserem Gebäude evakuiert zu werden. Während der Gespräche mit meinem iranischen Kollegen hatte ich ihm einmal beiläufig erzählt, dass meine Schwester im World Trade Center arbeitet, das ja angegriffen worden war. In dem ganzen Chaos rief mich mein Amtskollege von der iranischen Botschaft tatsächlich an, um sich nach meiner Schwester zu erkundigen (es war alles in Ordnung mit ihr) und mir zu sagen, wie schrecklich das alles sei, und dass es das sei, wogegen wir zu arbeiten hätten: die wachsende Bedrohung durch den Terrorismus von al-Qa’ida aus Afghanistan. Er war sich sicher, dass eine Verurteilung aus Teheran kommen würde, und einige Tage später hat es mich und viele Amerikaner verblüfft, als das religiös-politische Staatsoberhaupt den Terrorismus verurteilte, egal, wo er in der Welt passiert - einschließlich in Washington und New York.
Ich schrieb an das Außenministerium, dass dies eine bedeutende Entwicklung sei und wir die Gespräche mit den Iranern in New York zu intensivieren haben, da wir tatsächlich gemeinsame Interessen hätten. Also, was nur mit einer Person begann, nämlich ich im Gespräch mit einem iranischen Amtskollegen, kamen nun einige Leute aus Washington dazu und auf der anderen Seite schlossen sich weitere Leute aus Iran ihrem Delegierten an. In den folgenden zwei Jahren sprachen wir über Afghanistan. Ich glaube, dass diese Gespräche dabei halfen, die Situation in Afghanistan von 2001 bis 2003 relativ stabil zu halten. Allerdings haben wir die Gespräche danach beendet, und die US-Politik in Afghanistan ist meiner Ansicht nach viel militaristischer geworden. Während dieser Gespräche über Afghanistan hatte ich zum ersten Mal die Möglichkeit, aus iranischer Perspektive zu hören, wie sich die Islamische Republik selbst in ihrem Umfeld wahrnimmt - die Gefahren, denen sie gegenübersteht, die Interessen, die sie hat. Und ich habe diese nicht aus der Sicht eines Auslandsiraners oder einer Person gehört, der die Islamische Republik gestürzt sehen will. Das war wirklich aufschlussreich für mich.
Ich war sehr dafür, diese Gespräche fortzuführen und auszuweiten. So wurde ich ins Weiße Haus geholt, um dort an der Afghanistan- und der Iran-Politik des Nationalen Sicherheitsrates zu arbeiten. Allerdings gab es dort auch selbstverständlich unterschiedliche Leute mit entgegengesetzten Ansichten. Zu meinem Glück war aber Flynt ebenfalls im Weißen Haus und so haben wir uns zusammengetan. Nichtsdestoweniger hatten wir eine Menge Widerstand. Der erste große Gegenwind kam mit der Rede von der „Achse des Bösen“, von der mir niemand etwas Bescheid gesagt hatte, obwohl ich diejenige war, die für die Iran-Politik verantwortlich gewesen war. Es war ein großer Schock, und ich begann, mich zu fragen, wie ich weiterhin für die US-Regierung arbeiten könnte. Schließlich traten Flynt und ich unter Protest von unserem Dienst zurück.
Nach unserem Ausscheiden aus der US-Regierung haben wir zunächst gedacht, dass wir versuchen sollten, Amerikanern zu zeigen, welche Weltsicht Iran hat, welche Felder der Zusammenarbeit und welche Potenziale dafür bestehen. Also haben wir begonnen, darüber zu schreiben. Nichts über Irans Innenpolitik, sondern nur über die Außenpolitik. Unsere ersten Gedanken waren, dass die Vereinigten Staaten mit Iran an einer von uns sogenannten „Grand Bargain“ arbeiten könnten. Unsere Idee war, wenn die Vereinigten Staaten Iran eine Chance gäben würden, könnte Iran aufgrund der ähnlichen Interessen Teil der pro-amerikanischen Politik- und Sicherheitsordnung werden. Das war unsere ursprüngliche Idee.
Aber unser Konzept hat sich weiterentwickelt, weil wir allmählich erkannten, dass die pro-amerikanische Sicherheitsordnung für die Vereinigten Staaten selbst nicht wirklich vorteilhaft ist. Die derzeitigen Beziehungen zu Saudi-Arabien und Israel sind nicht zum Vorteil der Vereinigten Staaten. Und es ergäbe daher keinen Sinn, Iran zu einem Teil dessen zu machen.
Also haben wir begonnen, auf das zu schauen, was Iran auszeichnet. Wir hatten das Gefühl, dass wir dies noch nicht so gut verstanden hatten, wie wir es heute tun. Wir ergreifen weder in der iranischen Innenpolitik für irgendeine Seite Partei noch versuchen wir zu sagen, dass das politische System Irans das beste oder fantastischste der Welt sei. Aber wir erkennen an, dass - nach einer Geschichte von westlicher und russischer Einflussnahme und Vorherrschaft - Iran in der Lage war, ein eigenes, autochthones politisches System zu entwickeln. Wir haben begonnen, uns anzuschauen, wie stark der Einfluss dieses autochthonen politischen Systems über Irans Grenzen hinausgeht, in einem Maße, wie es in Iran unter dem Schah nie geschah. Warum hat die Islamische Republik mehr Einfluss auf ihre Nachbarn, als Iran unter dem Schah? Wir kamen zu dem Schluss, dass es etwas mit dem innerstaatlichen System zu tun haben muss, etwas, was nicht nur diesem politischen System erlaubt hatte, 35 Jahre zu bestehen, sondern auch jenseits Irans Einfluss erzielte. Wir haben viel Zeit damit verbracht, Ayatollah Khomeinis Vorträge in Najaf zu lesen und viele andere seiner Reden, die wir für wichtig hielten. Wir wollten einige von Ayatollah Khomeinis Ideen dem amerikanischen Publikum zugänglich machen und einige Fortschritte der Islamischen Republik im Gesundheitssektor, der Bildung und sogar in Gender-Fragen erklären. In den Vereinigten Staaten glaubt man, dass Frauen in Iran wie Ausschuss behandelt werden, aber wenn man sich die Arbeitswelt und die Ausbildung in Iran anschaut, ist die Realität ganz anders. Auch das wollten wir dem amerikanischen Publikum vermitteln.
Unser Buch behandelt in erster Linie aber die amerikanischen Interessen. Und wir wenden ein, dass die Vereinigten Staaten die realen Grundlagen der Legitimation hier anerkennen müssen, anstatt von der falschen Vorstellung auszugehen, Iran sei ein grässlicher Staat, der jeden grausam behandle und der bald zusammenbräche,. Es ist für die Vereinigten Staaten wichtig, sowohl dies als auch Iran als unabhängige Macht zu akzeptieren, und die Eigenständigkeit Irans als Mittel für eine stabilere Machtbalance zu begrüßen und sich nicht davor zu fürchten
Mashregh News: In Ihrem Buch sprechen Sie über drei Mythen bezüglich Iran. Bitte erklären Sie, wie Lobbys und die amerikanischen Medien diese Mythen pflegen.
Flynt Leverett: Die Idee der drei Mythen war eine Möglichkeit, den Lesern zu helfen, sich kritisch mit der scheinbar unendlichen Anzahl falscher Vorstellungen in den Vereinigten Staaten über Iran auseinanderzusetzen.
Der erste Mythos ist der der Irrationalität: Die Islamische Republik sei ein von Ideologie getriebenes System, das Außenpolitik nicht in den Kategorien der nationalen Interessen sieht. Das wollten wir ernsthaft in Frage stellen.
Der zweite Mythos ist der der Illegitimität: Die Islamische Republik sei ein illegitimes politisches System ohne Unterstützung in der Bevölkerung, die jederzeit Gefahr liefe, gestürzt zu werden (falls nicht heute, dann vermutlich nächste Woche). Auch das wollten wir in Frage stellen.
Und der dritte Mythos ist der, den wir als "Isolationsmythos" bezeichnet haben: Die Islamische Republik habe überhaupt keinen echten Einfluss in der Region und könne leicht regional und weltweit isoliert werden. Und wenn sie genügend unter Druck gesetzt werden würde, dann würde sie entweder kapitulieren oder verschwinden. Das sind die drei Mythen, die wir in Frage stellen wollten.
Das Infragestellen dieser Mythen führt zur Konfrontation mit einigen sehr starken Kräften in der amerikanischen Gesellschaft. Nichtsdestotrotz haben wir einige Fortschritte beim Irrationalitätsmythos erzielt. Es besteht nun eine größere Bereitschaft innerhalb der amerikanischen Eliten zu erwägen, dass Iran eine rationale Außenpolitik habe und es auf dieser Basis einbezogen werden kann. Es gibt immer noch Leute, die diese Annahme zurückweisen, aber wir haben einige Fortschritte gemacht. Den stärksten Widerstand erleben wir bei den anderen beiden Mythen. Es gibt eine Anzahl von Leuten, die uns grundsätzlich dabei zustimmen würden, dass Iran eine äußerst rationale Außenpolitik haben könnte und die Vereinigten Staaten mit Iran sprechen sollten. Aber sie fragen uns, warum wir um Himmels willen darauf bestehen, zu sagen, dass die Islamische Republik ein legitimes politisches System sei. Warum würden wir nicht einfach sagen, dass sie eine schreckliche Diktatur sei, dass dies aber keine Rolle spiele und die Vereinigten Staaten trotzdem mit Iran sprechen sollten?
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Flynt Leverett und Hillary Mann Leverett. |
Hillary Mann Leverett: Wir haben in der US-Regierung auch über Libyen gearbeitet und an der US-Libyschen Annäherung zu Beginn des 21. Jahrhunderts mitgewirkt. Hinsichtlich Libyens waren wir auch der Meinung, dass die Vereinigten Staaten die Sanktionen gegen Libyen aufheben und das Land eher einbeziehen sollten. Die Vereinigten Staaten sagten dann schließlich, dass Gaddafi verrückt und das libysche System eine Diktatur sei, aber es sei im Interesse der USA, die Beziehungen zu Libyen neu auszurichten. Und schauen Sie, was aufgrund dessen später passierte. Sobald es Proteste in Libyen gab, intervenierten die Vereinigten Staaten parteiisch gegen Gaddafi. Im politischen System der USA kann jede kleinere Schwierigkeit als Vorwand benutzt werden, die politische Ordnung in anderen Ländern zu stürzen, wie wir es in Libyen gesehen haben.
Flynt Leverett: Und die US-Regierung tat dies, obwohl die libysche Regierung sich grundsätzlich in Fragen der Massenvernichtungswaffen, des Terrorismus und der nuklearen Bewaffnung den Vereinigten Staaten unterwarf, im Austausch für die amerikanische Zusage zur Normalisierung der Beziehungen, zur Aufhebung der Sanktionen und zur Beendigung der Versuche, die Regierung zu stürzen. Das war das Abkommen. Die Libyer haben nicht einmal selbst ihre nukleare Infrastruktur abgebaut – sie ließen amerikanische Techniker kommen, die Zentrifugen abzubauen. Diese Zentrifugen befinden sich jetzt in den Vereinigten Staaten.
Mashregh News: Wurden die Zentrifugen und die anderen Anlagen, die nach Amerika transportiert worden waren, dort wieder zusammengebaut? […]
Flynt Leverett: Das ist eine gute Frage, ich weiß es wirklich nicht. Aber das ist der Grund, warum es für die Vereinigten Staaten so wichtig ist, in einem Arrangement mit der Islamischen Republik, die Legitimität eben dieser Islamischen Republik anzuerkennen. Das heißt nicht, bloß Irans legitime nationale Interessen anzuerkennen, sondern auch gerade diese politische Ordnung Irans als ein legitimer Vertreter dieser Interessen. Aber die Neokonservativen und die pro-israelische Lobby in den Vereinigten Staaten wollen die Islamische Republik nicht anerkennen. Selbst viele der Liberalen, die Sie vielleicht als Linke der Vereinigten Staaten bezeichnen würden, können sehr interventionistisch werden hinsichtlich ihres Verständnisses von Menschenrechten. Sie sagen zwar grundsätzlich, dass sie Kriege ablehnen, jedoch sie sind für das, was sie „humanitäre Intervention“ nennen.
Hillary Mann Leverett: Jede von ihnen, sowohl Neokonservative als auch Liberale, finanzieren Denkfabriken und Universitäten, damit diese Forschungszentren für den Nahen Osten betreiben. Als Folge davon haben sie diese Produktion von Wissen, das nicht auf Fakten fußt. Es basiert nicht darauf, selbst in Iran gewesen zu sein oder wenigstens auf den Daten und Statistiken, die man selbst in den Vereinigten Staaten finden kann. Jeder in den Vereinigten Staaten könnte sich die UN-Statistiken zur Bildung in Iran anschauen. Sie könnten die Berichte der Islamischen Republik zu Bildung für Mädchen und Jungen ansehen, und wie die Islamische Republik das Ungleichgewicht in der Bildung zwischen Mädchen und Jungen, das unter dem Schah herrschte, nahezu eliminiert hat, und welche weitere Fortschritte es seit der Revolution gibt. Aber das tun sie nicht, denn diese Denkfabriken werden für die Produktion von Informationen bezahlt, um eine bestimmte Agenda zu forcieren. Die Lobbys dominieren die Debatte, mit der Hilfe von Denkfabriken und einem großen Teil der Medien.
Mashregh News: Sie haben die Wahlen von 2009 in Iran untersucht und sind zu dem Schluss gekommen, dass die Wahl korrekt durchgeführt wurde und es keinen Betrug gab. Können Sie über diese Nachforschungen genauer ausführen?
Hillary Mann Leverett: Was die Wahlen von 2009 angeht: Wir sind keine iranischen Offiziellen, es ist nicht unsere Aufgabe, auf die eine oder andere Weise Wahlen hier zu verifizieren. Unsere Wahlanalyse beinhaltet aber zwei Aspekte. Erstens gab es vor der Wahl viele Umfragen. Als wir diese Umfragen untersuchten, erschien es sehr klar, dass Präsident Ahmadinejad diese Wahl hätte gewinnen können, und zwar mit etwa 60 Prozent der Stimmen. Zweitens haben wir uns die verschiedenen Betrugsvorwürfe angeschaut und fanden nie irgendwelche Beweise für einen Betrug. Verschiedene Leute hatten verschiedene Vorstellungen davon, auf welche Weise betrogen werden konnte, brachten aber, so weit wir wissen, nie tatsächliche Beweis dafür vor.
Als Amerikaner möchten wir bezüglich der iranischen Innenpolitik keine Partei ergreifen, und es ist auch nicht an uns zu sagen, dass es keinen Betrug gab. Aber wir fanden es wichtig zu sagen, dass die repräsentativen Umfragen Ahmadinejads Wahlsieg vermuten ließen und dass tatsächlich niemand Beweise für einen Betrug geliefert hat. Es war uns wichtig, dies in den Vereinigten Staaten zu sagen, weil die überwältigende Mehrheit der amerikanischen Analysten, einschließlich einiger unserer besten Freunde - ohne jeden Beweis – sagten, dass die Wahlen gefälscht waren. Viele von ihnen gingen noch weiter und sprachen sich für einen Regimewechsel in Iran aus, weil die Wahl angeblich gefälscht war.
Wir fanden es wichtig, diese Anschuldigungen in Frage zu stellen, teilweise weil sie unwissenschaftlich waren und echte Informationen und Fakten außer Acht ließen. Es war auch deshalb wichtig, diese Anschuldigungen anzufechten, weil sie gefährlich waren, im Hinblick auf die Ausrichtung der US-Außenpolitik in der Vergangenheit gegenüber Iran und dem Nahen Osten allgemein. Ich schließe nicht aus, dass möglicherweise jemand in der Zukunft mit Beweisen für einen Betrug auftauchen könnte. Aber wir haben zu jener Zeit und selbst bis heute keinerlei Beweise gesehen. Und auch wenn die Wahlen gefälscht waren, so ist das nicht Amerikas Problem. Wir haben gesehen, was in Libyen passiert ist, als es die Proteste gab und die Vereinigten Staaten interveniert haben. Schauen Sie sich an, was mit Libyen geschehen ist, nachdem die Vereinigten Staaten Gaddafi gestürzt haben. Es ist eine Katastrophe.
Mashregh News: Welches Feedback folgte auf die Veröffentlichung Ihres Buches?
Flynt Leverett: Es war extrem polarisiert. Auf der einen Seite sagten Leute, es sei ein brillantes Buch, ein wichtiges Buch - Leute wie unter anderem Noam Chomsky. Auf der anderen Seite sagten unsere Kritiker, wir hätten nicht nur ein schlechtes Buch geschrieben, sie sagten wörtlich, wir hätten ein böses Buch geschrieben, ein "moralisch verwerfliches" Buch. Unsere Kritiker sagten: "Ihr versucht uns dazu zu bringen, ein böses politisches System zu akzeptieren". Wir denken, dass dies ein Indikator dafür ist, wie schwer es für die Vereinigten Staaten sein wird, ihre Außenpolitik gegenüber Iran neu auszurichten.
Erstmals auf Persisch veröffentlicht am 27. Dezember 2014 bei Mashregh News. Aus dem Englischen von der Webseite "Going to Tehran" ins Deutsche von Ulrike Hintze übersetzt.
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Junge Anhänger der Hisbollah. |
Zunächst einmal gibt es ein großes Problem hinsichtlich der Verlässlichkeit der Quellen, die auf die Opferzahlen der IRL in Syrien verweisen. Im Hinblick auf diese Frage tendieren die Nachrichtenagenturen dazu, sich gegenseitig zu zitieren, und sie bestehen darauf, dass hunderte, wenn nicht sogar tausende IRL-Kämpfer bisher ums Leben kamen. Doch das einfache Nachzählen von Begräbnissen der IRL-Kämpfer, die ihre Verluste nie verbergen, weist darauf hin, dass es sich um viel weniger Opfer handelt, als angenommen wird (etwa 200 Tote in anderthalb Jahren, im Vergleich zu tausenden von toten Jihadisten).
Laut Berichten vor Ort werden die Toten schnell und zahlreich durch junge Schiiten ersetzt, die zunehmend motiviert scheinen, mit dem „Islamischen Staat“ (ISIS oder IS) und Jabhat al-Nusra (JN) ihre Rechnungen zu begleichen, wie die Ereignisse im späten August und Oktober zeigten (siehe weiter unten). Tatsächlich legen Berichte über die Gefechte, bei denen die IRL und ihre jihadistischen Gegner beteiligt sind, nahe, dass Erstere eine ungebrochene Serie von Siegen auf dem Schlachtfeld erringen. Und selbst die eifrigsten Kritiker der Hizbollah sind sich darin einig, dass Dank der Intervention der IRL die vom IS und der JN besetzten strategischen Gebiete von Qusayr und Qalamun entlang der libanesischen Grenze durch das Assad-Regime zurückerobert werden konnten, wodurch fast die gesamte Nordküste und der westliche Teil Libanons nun „gesichert“ ist.
Mit anderen Worten ist die Lage der IRL in Syrien nach all den verlässlichen Indikatoren stabil, und es finden sich soweit keine Anzeichen von Destabilisierung. Ganz im Gegenteil sind momentan ihre Streitkräfte sogar in der Qalamun-Region, die unter anderem durch die sunnitische Grenzstadt Arsal im Bekaa mit dem Libanon verbunden ist. Arsal bot seit mehr als drei Jahren der syrischen Opposition, einschließlich der Dschihadisten von IS und JN sowie Kämpfer diverser Fraktionen der Freien Syrischen Armee (FSA), ein relativ komfortables und einladendes Rückzugsgebiet. Es war ihnen nicht nur möglich, einzureisen, um zu rasten und dann aufgerüstet wieder auszureisen, viele siedelten sogar ihre Familien dort an.
Nach einer Großoffensive in den umgebenden Gebieten durch den IS und die JN im August versperrte die libanesische Armee allerdings den Zugang zu Arsal, um im Wesentlichen die dschihadistischen Kämpfer in ein dürres, gebirgiges und nicht bevölkertes Gebiet in Qalamun zu drängen. Durch die Einkesselung auf der syrischen Seite der Grenze, die von der Regierungsarmee und der IRL durchgeführt wird, werden die Dschihadisten wahrscheinlich nicht in der Lage sein, den Winter auszuharren, und sie könnten durch die Kälte und den Nachschubproblemen umkommen.
Es ist kein Zufall, dass der IS und die JN, die während der Schlacht um Arsal mehr als 20 Mitglieder der libanesischen Armee und Polizei entführt haben, ihre ursprünglichen Bedingungen für die Befreiung der Geiseln zugunsten des freien Zugangs zu Arsal fallengelassen haben. Wenn sie weiterhin an der Grenze eingekesselt bleiben sollten - gefangen zwischen der IRL und der syrischen Armee auf der einen Seite und den libanesischen Sicherheitskräften auf der anderen Seite - würde es sicherlich die Arbeit der IRL erleichtern.
Schlecht für Assad gleich Gut für die „Koalition des 14. März“?
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Bisher hat die Hisbollah kein Gebiet in Syrien verloren. |
Viel wesentlicher ist es jedoch, dass die Lage der Hezbollah vor allem im Libanon - sowohl auf der sozialen als auch auf der politischen Ebene – für sie und ihre Verhältnisse zufriedenstellend ist, wenn nicht sogar besser geworden ist. In der Tat haben die seit letztem Jahr durchgeführten Autobombenanschläge der Abdallah al-Azzam-Brigaden (einer Zweigorganisation der Al-Qaida), der JN und des IS im Nordosten von Bekaa und in den südlichen Vororten Beiruts, also in zwei Hochburgen der Schiiten, nie den Erfolg erbracht, die Schiiten gegen die Hezbollah aufzubringen. Vielmehr haben die Schiiten seit dem ersten Jahr der syrischen Aufstände es so wahrgenommen, dass die Angriffe der Jihadisten gegen sie im gleichen Maße durch den ohnehin angestifteten konfessionellen Hasses gegen sie motiviert sind, wie durch die Intervention der IRL in Syrien.
Indem man die Auffassung teilt, dass die Intervention der IRL ein „notwendiges Übel“ gewesen ist, um den IS und die JN weit weg von den libanesischen Grenzen zu halten, und dass die Hezbollah und die IRL „keine andere Wahl“ gehabt hatten, sind die libanesischen Schiiten am Ende ihrer bevorzugten Partei gegenüber loyal geblieben.
Die Gräueltaten, die der IS im Irak gegen religiöse Minderheiten und sunnitische Gegner in den mittlerweile unter ihrer Kontrolle gebrachten Gebieten unternommen haben, haben - wenn überhaupt - libanesische Schiiten dazu gebracht, sich insbesondere wegen dem Fehlen eines starken libanesischen Staates und Sicherheitskräften, die in der Lage wären, ihr Land zu schützen, geschlossen hinter die Hezbollah zu stellen!
Tatsächlich wird die Hezbollah als die einzige bewaffnete Gruppe wahrgenommen, die den Libanon gegen eine mögliche „Invasion“ der „Menschenenthaupter“ schützen kann. (Experten zufolge ist die libanesische Armee für ihre Ziele und Aufgaben chronisch unterbesetzt. Heute hat sie wohl 56.000 unterdurchschnittlich ausgebildete Soldaten und ist zudem unterfinanziert. Am Ende des Bürgerkrieges in den frühen 1990ern erhielt das Militär große Subventionen vom Staat, die mehr als 20 % der staatlichen Gesamtausgaben ausmachten. Das Geld war jedoch nicht für die Modernisierung der Ausrüstung oder für Ausbildung gedacht. Das Ziel war stattdessen, die Arbeitslosigkeit der kürzlich entwaffneten Milizionäre - nachdem sie sich 15 Jahre lang gegenseitig bekämpft hatten - zu verringern, indem sie in eine Armee mit großzügigen sozialen und beruflichen Privilegien integriert werden.)
Es ist sicherlich dieser besondere Punkt, der die Hezbollah seit letztem Sommer auszeichnet. Zur Erinnerung: Die politische Szene des Libanons ist seit 2005 von zwei großen Koalitionen geprägt. Die Erste ist die pro-westliche „Koalition des 14. März“, die sich gegen Assad positioniert. Sie wird hauptsächlich von Saad Hariris (sunnitischer) Zukunftsbewegung (FC), Samir Geageas (christlicher) Libanesischer Front (LF) und der (christlichen) Kataeb-Partei der Gemayel-Familie repräsentiert. Die Zweite, bekannt als die „Koalition des 8. März“, favorisiert eine strategische Allianz mit Damaskus und wird von der (schiitischen) Hezbollah und der AMAL repräsentiert, die von Michel Aouns (christlicher) Freier Patriotischen Bewegung (FPM) unterstützt wird.
Bis 2012 bzw. 2013 waren sich die zwei großen christlichen Rivalen LF und FPM hinsichtlich der Hisbollah vehement uneins, insbesondere im Hinblick auf die Entwaffnung der IRL sowie der möglichen Gefahr, die diese Waffen für den Libanon darstellen könnten. Die Waffen der IRL - die laut Hezbollah notwendig seien, um sich gegen israelische Angriffe zu verteidigen – könnten eines Tages gegen die libanesische Bevölkerung benutzt werden, so die Befürchtung.
So erklärte die LF sie als eine „öffentliche und nationale Quelle der Bedrohung“ und verlangte die Entwaffnung und sie bestand darauf, dass nur der Staat und seine Sicherheitskräfte damit beauftragt werden sollen, die Unabhängigkeit und Verteidigung der Nation sicherzustellen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Hisbollah weit davon entfernt ist, die einzige bewaffnete politische Gruppe im Land zu sein, argumentierte die FPM hingegen, dass die Waffen der IRL nicht gefährlicher seien, als die irgendeiner anderen militanten Gruppe im Libanon, und dass aufgrund der Defizite und Mängel der libanesischen Armee eine bewaffnete IRL die einzige Macht sei, die dazu in der Lage ist, Israel effektiv abzuschrecken.
Der Angriff auf Arsal im August 2014 hat aber genau diesen fundamentalen Streit vorzeitig beendet - und zwar aus gutem Grund.
Einen Monat, nachdem im Juni der „Islamische Staat“ durch den „Kalifen“ Abu Bakr Al-Baghdadi proklamiert wurde, wurde ein prominenter syrischer Dschihadist von der libanesischen Armee festgenommen. Der IS und die JN – ob sie zusammen oder unabhängig voneinander agierten (es ist unklar) – nutzten seine Festnahme als einen Vorwand, um massive Angriffe gegen Stellungen und Checkpoints der libanesischen Armee in Arsal zu starten. Dieser Angriff wurde inländischen Zeitungsberichten zufolge von 3.000 bis 6.000 Kämpfern durchgeführt. Die militärische Vorgehensweise der Dschihadisten und die Geständnisse der Führungskräften der beiden Gruppen, die sich im Gewahrsam befanden, gaben bald eine Erklärung für den Angriff: Insbesondere der IS hatte anscheinend vor, Arsal als das erste souveräne Kerngebiet des „Islamischen Staates im Libanon“ zu errichten. Nach einer Woche heftiger Gefechte schaffte es die libanesische Armee und Polizei, die Angreifer zurückzudrängen, wofür sie jedoch den Preis von einem Dutzend Toten, mehr als 80 Verletzten und die Geiselnahme von zwei Dutzend Soldaten und Polizisten zu zahlen hatte.
Der Angriff auf Arsal löste Panik im Libanon aus. Er hatte gezeigt, dass die Pläne des „Islamischen Staates“ für den Libanon doch echt und unmittelbar waren. Einige Wochen später starteten der IS und die JN einige Dutzend Kilometer weiter südlich - im schiitischen Dorf Brital, das in der Nähe zur Grenze liegt - erneut einen Angriff. Diesmal wurden sie von der Hizbollah zurückgedrängt, die wiederum Unterstützung von den ortsansässigen Dorfbewohnern bekam, die ihre daheim aufbewahrten Waffen zur Schlacht mitführten. 22 Dschihadisten kamen ums Leben.
Später, beim Abendanbruch des 24. Oktobers, griffen der IS und die JN schließlich wieder Checkpoints der Armee in der vorwiegend sunnitischen Landeshauptstadt des Nordens, Tripoli, an. Dieser Angriff verursachte 16 Tote, darunter auch Kinder, und mehr als 150 Verletzte.
Angesichts des seit Juni beachtlichen Vormarsches des IS im Irak, stieg folglicherweise die Angst in der libanesischen Öffentlichkeit bereits im Spätsommer und insbesondere unter den Nicht-Sunniten. Für immer mehr Menschen - vom Durchschnittsbürger bis hin zu religiösen und politischen Führern - ist der Umstand schwer zu übersehen, dass, obwohl sie die nationale Armee als die erste Verteidigungslinie betrachten, sie sich in Wirklichkeit auf die Hisbollah verlassen, wenn es um die Verteidigung der territorialen Integrität ihres Landes geht.
Unter den Christen hat es daher zu großem Tumult geführt, als Geageas sich bemühte, der Öffentlichkeit zu versichern und ihre Sorgen zu besänftigen, dass die Jihadisten den Libanon nicht wirklich bedrohen würden. Sogar seine eigene Partei, die Libanesische Front (LF), die die Hisbollah über Jahre verabscheut hatte, scheint nun zunehmend bereit zu sein, zuzugeben, dass sie nach alledem doch nicht so unglücklich über die Existenz der Hisbollah und deren guten Bewaffnung ist.
Bereits vor dem Sommer zirkulierten Berichte und Gerüchte, wonach es Versuche zur Gründung christlicher Selbstverteidigungsmilizen gegeben habe, die von der Hisbollah in vielen Regionen des Landes - hauptsächlich im Norden Bekaas und im Süden - aufgerüstet werden würden. Nachdem die Intervention der IRL in Syrien und die Etablierung einer defensiven Pufferzone zwei Jahre lang weitgehend kritisiert wurde, beginnt sie nun an Popularität zu gewinnen.
Nach den Ereignissen in Arsal war es ausgerechnet der maronitische Patriarch Beshara al-Rahi höchstpersönlich (der zuvor die Kämpfer der IRL in Syrien und ihre Weigerung, sich zu entwaffnen, kritisierte), der die Ansichten der meisten christlichen Libanesen zu diesem Thema auf den Punkt brachte: „Wenn die Christen im Libanon heute über ihre Ansichten bezüglich der aktuellen Ereignisse gefragt werden, dann würden sie alle sagen, dass der IS ohne die Hisbollah (die christliche Küstenstadt) Jounieh erreicht hätte.“
Stellung der Hisbollah verbessert
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Christliche Sympathisanten der Hisbollah. |
Tatsächlich hat das Ansehen der Hisbollah seit dem Spätsommer genau so viel an Prestige und Reputation gewonnen wie ihr politischer Hauptrivale unter den Sunniten, die „Zukunftsbewegung“ (FC), an Ansehen verloren hat - und weiterhin verlieren wird.
Von Beginn der Proteste in Syrien im Jahr 2011 an bis zum Auftauchen der Jihadisten unter den Rebellen präsentierte sich die Partei von Saad Hariri als eine Bewegung für Mäßigung und Rechtsstaatlichkeit sowie als Verteidiger von nicht-sunnitischen Gemeinden, insbesondere von Christen. Leider erwies sich diese Herausforderung aber als zu ehrgeizig. Einige der Parlamentsabgeordneten der Partei nutzten durch Hariris selbstauferlegtes Exil aus dem Libanon die Gelegenheit und bekundeten in den Jahren 2012 bis 2013 - motiviert durch ihre Passionen gegen Assad - durchweg ihre Sympathie für den salafistischen Anführer Sheikh Ahmad Al-Assir und zögerten nicht, ihn zu unterstützen, als er und seine Männer im Juni letzten Jahres Checkpoints des Militärs in Saida angriffen, wodurch 16 Soldaten getötet wurden. Ein Jahr zuvor, im Mai 2012, führte ihr Eifer sogar dazu, dass viele ihre Parlamentsabgeordnete die Regierung dazu drängten, den gefährlichen Dschihadistenführer aus dem Norden, Shadi Mawlawi, zu entlassen, und nahmen daraufhin mit Begeisterung an seiner feierlichen Heimkehr teil. Beide Vorfälle haben der Öffentlichkeit sehr deutlich gezeigt, dass ein wichtiger Flügel der Partei seiner sunnitischen Identität den Vorzug gegenüber seiner Loyalität zur libanesischen Nation und deren Sicherheits- und Justizorgane gibt.
Des Weiteren brachte seit dem letzten Sommer und seit dem Kampf um Arsal eine Serie von Skandalen die Partei in Verlegenheit. Der Parlamentsabgeordnete des Nordens, Khaled Daher, wurde auf frischer Tat ertappt, wie er mit bekannten IS- und JN-Führern, die in der nördlich gelegenen Tripoli-Region leben, einen herzlichen Umgang pflegt. Er habe sich mit dem jihadistischen Führer Ahmad Mikati „abgestimmt“, der ihm Videoclips von sunnitischen Mitgliedern der libanesischen Armee schickte, die kurz davor desertierten, um sich dem IS und der JN anzuschließen. Dahers Antwort auf diese Enthüllung war, dass „die Armee einen Vorwand sucht, um die Menschen im Norden zu ermorden.“ Das Ganze wurde aber nicht besser, als der Justizminister Ashraf Rifi – ein ehemaliger Polizeichef und Protegé der Zukunftspartei (FC) – im Oktober persönlich intervenierte, um den zwei jihadistischen Führern Shadi Mawlawi und Ahmad Mikati zu helfen, die nach einem dreitägigen Häuserkampf, der die Vertreibung von tausenden Menschen zur Folge hatte, von Militärs umzingelt wurden.
Anstatt Zuversicht auf die verschiedenen konfessionellen Gruppen des Landes auszustrahlen, insbesondere auf ihre eigene christlichen Verbündeten, schwieg die Führung der Partei die ganze Krise hindurch und präsentierte sich in der Öffentlichkeit mit einem Image, das im Kontrast zu den Intentionen Hariris steht. Die FC scheint intern gespalten zu sein, Radikalen gegenüber freundlich gesinnt zu sein, widerwillig, staatliche Institutionen und die Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen, und letztlich im Hinblick auf die massive Offensive der Jihadisten gegen die Nation unglaubwürdig zu sein.
In einem Land wie dem Libanon, wo eine Seite völlig verliert, wenn die andere Seite gewinnt, hat die Führung der Hisbollah daher jeden Grund, ein gutes Gefühl über ihr jetzige Reputation zu haben. Die westliche Presse sollte daher vorsichtig sein, dass ihre Abneigung für diese Gruppe nicht über die Realität ihrer Macht und Popularität hinwegtäuscht. Es ist verführerisch zu glauben, dass die Hisbollah in Syrien im wörtlichen Sinn und im Libanon im politischen Sinn zu Tode ausgeblutet wird. Das ist nur ein Wunschdenken.
Erstmals veröffentlicht am 4. November 2014 bei LobeLog. Übersetzt von Shahab Uddin.
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Freitag, 12. Juni 2009: Iran steht erneut wegen eines heißen Wahlkampfes im Rampenlicht. Über 85% der Wahlberechtigten kamen zu den Wahllokalen, um den Präsidenten des Landes für die nächsten vier Jahren zu wählen. Die Kandidaten waren der damalige amtierende Präsident Mahmoud Ahmadinejad, der ehemalige Premierminister Mir-Hossein Mousavi, der ehemalige Befehlshaber der Revolutionsgarde (IRGC) Mohsen Rezaei und der ehemalige Parlamentssprecher Mehdi Karroubi. Die ersten zwei galten als die aussichtsreichsten Kanditaten der Wahl.
Jedoch war Mousavi so überzeugt von seinem bevorstehenden Sieg, dass er bereits Stunden vor Bekanntgabe der ersten Ergebnisse durch das Innenministerium eine Pressekonferrenz einberief, um zu verkünden, dass nur er am Ende der Auszählung einen Erdrutschsieg erreichen würde und er der nächste Präsident der Islamischen Republik Iran sei.
Als allerdings die offiziellen Ergebnisse am nächsten Tag veröffentlicht wurden, berichtete die iranische Wahlzentrale, dass bei der zehnten Präsidentschaftswahl der Amtsinhaber Ahmadinedschad mit 24.527.516 von 39.165.191 abgegebene Stimmen gewonnen hatte. Demnach erzielte der amtierende Präsident 62,63 % der Wähler. Sein Hauptrivale Mir-Hossein Mussawi konnte hingegen nur 13.216.411 Stimmen (33,75 %) auf sich vereinen.
An dritter Stelle stand Mohsen Rezaei mit 678.240 Stimmen (1,73%), und Mehdi Karrubi kam mit 333.635 Stimmen (0,85%) auf den letzten Platz.
Nach der Verkündung der Wahlergebnisse gingen - hauptsächlich in Teheran - die Unterstützer von Mousavi und Karroubi auf die Straße. Die unterlegenen Kandidaten führten die täglichen Demonstrationen und den Aufstand an, und sie protestierten lautstark gegen den angeblichen Wahlbetrug.
Es war schließlich das religiös-politische Staatsoberhaupt, Ayatollah Seyed Ali Khamenei, der die Vertreter aller vier Kandidaten zu einer Besprechung in sein Büro einlud, um das Problem zu erötern.
Dieses historische Treffen war nach Aussagen aller Teilnehmer ein Meilenstein in der jüngeren Geschichte der Islamischen Republik. Viele von denen, die bei diesem Treffen anwesend waren, zitierten später Mousavis obersten Wahlbeobachter, Abbas Akhoundi, der etwa 40.000 aller von Mousavi beauftragten Wahl- und Stimmauszählungsbeobachtern anführte, wie er in dem Treffen mit dem Staatsoberhaupt eingestand, dass die Vorwürfe des Wahlbetrugs unbegründet seien. Die Wahlbeobachter standen nämlich vor Beginn der Abstimmung neben den Wahlurnen und verließen die Wahllokale erst nach Ende der Aus- und Kontrollzählung der Stimmzettel. "Akhoundi sagte dem religiös-politischen Staatsoberhaupt, Ahmadinejad hätte vielmehr wegen seines Auftretens vor der Wahl durch das Verfassungsgericht (Wächterrat) disqualifiziert werden sollen", teilte Abbas Ali Kadkhodayee, der damaliger Sprecher des Verfassungsgerichts, der bei dem Treffen mit mehreren seiner Kollegen sowie Offiziellen des Innenministeriums anwesend war, Khameneir.ir mit.
Einige Jahre später, als der neu gewählte Präsident Rouhani dem Parlament Akhoundi als seinen Kandidaten für den Posten des Ministers für Verkehrs- und Stadtentwicklung zur Abstimmung vorstellte, erinnerte Rohani die Abgeordneten nochmals an Akhoundis Geständnis von 2009, dass es keine Wahlfälschung gegeben habe.
Nun, fünf Jahre später, veröffentlichte das Staatsfernsehen ein Video, das der Nation enthüllt, was Akhoundi – insgesamt die "Nummer zwei" in Mir-Hossein Moussavis Wahlkampfteam - während dieses besonderen Treffens über den Wahlablauf sagte:
“Bedauerlicherweise war diesmal das Verfassungsgericht während des Wahlkampfes nachlässig, ansonsten stimme ich mit der Ansicht Ihrer Exzellenz überein, dass die Wahlergebnisse unverändert bleiben, auch wenn die Wahlurnen noch 20 Mal neu ausgezählt werden würden. Das heißt, falls also die Wahlurnen noch einmal ausgezählt werden sollten, wird keine große Verschiebung stattfinden. Es könnte allenfalls sein, dass es hier und da zu kleinen Verschiebungen kommt.”
Zwei Tage später, in einer bedeutenden Freitagspredigt, sagte das religiös-politische Staatsoberhaupt gegenüber Millionen Menschen im größten Gemeinschaftsgebet in der Geschichte Teherans, dass die hohe Wahlbeteiligung von 40 Millionen Iranern ein großer Ausdruck der Solidarität des Volkes mit der Islamischen Republik sei.
Ayatollah Khamenei bezeichnete die Wahl am 12. Juni als “kollektives Verantwortungsbewusstsein" der iranischen Nation, die Zukunft des Landes zu bestimmen.
Das Staatsoberhaupt fügte hinzu, dass all jene, die an der Wahl teilgenommen haben, der Welt ihr “politisches Bewusstsein und Engagement” gegenüber der Islamischen Revolution bewiesen hätten.
Die hohe Wahlbeteiligung bezeichnete das Staatsoberhaupt als "politisches Erdbeben" für den Feind und als ein "echtes Fest" für die Freunde des Landes.
"Die Islamische Republik wird unter keinen Umständen die Stimmen der Nation verraten”, sagte das religiös-politische Staatsoberhaupt, und er ergänzte, dass die gesetzlichen Mechanismen der Wahlen in Iran derart sind, dass jede signifikante Unregelmäßigkeit im Vorfeld verhindert werden würde.
Ayatollah Khamenei teilte allerdings auch mit, dass das mit der Wahlbeobachtung beauftragte Organ, nämlich das Verfassungsgericht, die Beschwerden der mit dem Wahlergebnis unzufriedenen Kandidaten untersuchen würde.
Das Staatsoberhaupt ergänzte weiter, dass der Staat niemals gegenüber unrechtsmäßige Forderungen fügen würde und appelierte an die Präsidentschaftskandidaten, ihre Reklamationen auf legalem Wege nachzugehen.
Ayatollah Khamenei rief des Weiteren dazu auf, die illegalen Straßenproteste zu beenden, deren Ziel es sei, das Wahlergebnis und damit die Entscheidung der demokratischen Mehrheit der Iraner zunichtezumachen.
Das Staatsoberhaupt bat alle Präsidentschaftskandidaten, wachsam zu sein gegenüber der - wie er es nannte - feindlichen Verschwörung, die Zwietracht säht, und er warnte davor, dass Irans Feinde versuchen würden, das Vertrauen des Volkes in das politische System zu unterminieren.
Wie das Filmmaterial zeigt, ordnete das Staatsoberhaupt an, dass das Innenministerium und das Verfassungsgericht - Irans oberste Wahlaufsichtsbehörde - jede von Kandidaten und ihren Wahlkampfmitarbeitern behauptete Unregelmäßigkeit untersuchen solle. Das Verfassungsgericht, das das letzte Wort bei Wahlen hat, forderte die Kandidaten auf, ihre Beschwerden einzureichen und Beweise zu präsentieren, um ihre Behauptungen zu untermauern. Doch Mussawi und Karubi unternahmen diesbezüglich nichts. Sie beharrten einfach weiterhin darauf, das Ergebnis nicht anzuerkennen, und verlangten eine Wahlwiederholung.
Am Ende der Beschwerdefrist wurde diese durch das Verfassungsgericht um weitere fünf Tage verlängert, um den zwei Kandidaten mehr Zeit für die Einreichung ihrer Beweise zu geben, doch keiner der beiden nutzte das Angebot.
Schließlich berief das Verfassungsgericht dann von selbst eine Sonderkommission ein, um eine teilweise Neuauszählung der gesammten abgegebenen Stimmen vornehmen zu lassen. Das Verfassungsgericht bestätigte abermals, dass die Neuauszählung von 10 Prozent der Wahlurnen keine Unregelmäßigkeiten bei der Wahl aufzeigte.
Nach iranischem Gesetz ist nach Überprüfung und Anerkennung der Stimmen durch das Verfassungsgericht eine Neuwahl nicht mehr möglich.
Präsident Ahmadinedschad wurde Wochen später bei einer feierlichen Zeremonie im Parlament für weitere vier Jahre vereidigt.
Nichtsdestotrotz beharrten Mousavi und Karoubi hartnäckig auf Wahlbetrug und machten damit Teile von Teheran monatelang zu Schauplätzen von Unruhen und Gewalt.
Allerdings nachdem Menschen aller Gesellschaftsschichten am 30. Dezember 2009 Großkundgebungen im ganzen Land für die Islamische Republik, die Rechtsstaatlichkeit sowie die Anerkennung der zehnten Präsidentschaftswahl durch den Verfassungsgericht abgehalten hatten, wurde die Ordnung in der gesamten Hauptstadt wiederhergestellt. Die größte dieser Kundgebungen fand in Teheran mit mehreren Millionen Teilnehmern statt. Diese nahm der aufrührerischen Bewegung von Mousavi und Karroubi und ihren Unterstütztern im Ausland den letzten Wind aus den Segeln.
Erstmals veröffentlicht am 4. Januar 2015 bei Fars News. Übersetzt von Rebecca Chen.
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