09.04.2015 Ben Bawey

Iranische Hegemonie oder iranisches Sicherheitsbedürfnis?


Ajatollah Chamenei Ghasim Suleimani Todestag Fatima Zahra

Ayatollah Ali Khamenei und General Qasim Soleimani bei einer schiitischen Trauerfeier.

Bei den Atomverhandlungen mit Iran, die bis spätestens 30. Juni zu einem endgültigen Abkommen gelangen sollten, stellt das umstrittene Atomprogramm nur eine Dimension der Verhandlungen dar. Eine Implikation der Gespräche wird das Machtpoker um die Vormachtstellung im gesamten Nahen Osten sein und die Frage, wer die Region dominieren wird.

Das Subsystem des Nahen Ostens ist anarchisch und die Akteure in der Region versuchen vor allem, ihre eigene Sicherheit auszubauen. Gestört werden diese Sicherheitspolitiken durch eine ständige, latente Unsicherheit, was vor allem am Fehlen einer übergeordneten effektiven Macht liegt, die Regeln durchsetzt und das außenpolitische Fehlverhalten eines Staates sanktioniert. Die hilflose US-Außenpolitik gegenüber Israels illegalem Siedlungsbau im Westjordanland oder das seit 2011 andauernde Massensterben in Syrien, dem die Weltgemeinschaft nichts entgegensetzt, sind dabei nur zwei Beispiele.

Die Akteure streben daher nach Macht, die gemäß Max Weber derjenige innehat, der seinen Willen auch gegen den Widerstand anderer durchsetzen kann. Ein einzelner Staat allein hat nicht genug Macht, um sich gegen größere oder mehreren Staaten durchzusetzen. So entstehen regionale Bündnisse, bei denen sich Staaten zusammenschließen, um Machtdefizite auszubalancieren.

Nach der jüngsten Atomeinigung malt vor allem Israel das Schreckgespenst eines atomar bewaffneten Irans an die Wand. Anstatt auf Verhandlungen zu setzen, plante Israel bereits 2012 ganz konkret einen Präventivschlag gegen Iran, der bis zur Islamischen Revolution des Jahres 1979 ein enger Verbündeter des pro-westlichen Judenstaates war.

Mit der Revolution und der Machtergreifung des Ayatollah Khomeini in Teheran wurden die regionalen Machtverhältnisse verschoben: Iran vollzog einen fundamentalen Bruch mit Israel und dem Westen.

Um diese Ereignisse, die schließlich zur heutigen Situation führen, verstehen zu können, ist es wichtig, die westliche Brille abzulegen und sich für einen Moment in die Rolle Irans zu versetzen:

Das iranische Selbstverständnis ist das einer Opferrolle, einer Leidensgeschichte, die bis auf die Schlacht von Kerbela im Jahre 680 zurückgeht, in der die schiitischen Anhänger des Imam Husseins von einer Übermacht niedergemetzelt wurden. Dieser identitätsstiftende Mythos schien sich im Laufe der Geschichte immer aufs Neue zu bestätigen. Permanent wurden Schiiten durch die nicht-schiitische Obrigkeit unterdrückt. Iran erlebt zudem seit den 1920er Jahren regelmäßige, vom Westen inszenierten Putschversuche und Verschwörungen.

So kam es beispielsweise durch die Schwächung Irans aufgrund der Wirren der Revolution von 1979 zum ersten Golfkrieg, in dem die USA den Irak Saddam Husseins gegen die Islamische Republik Khomeinis motivierten und unterstützten. Dabei wurde billigend in Kauf genommen, dass Saddam Hussein Giftgas einsetzte.

Sollte Iran tatsächlich nun nach der Bombe streben – was übrigens in keiner Weise belegt ist – so kann es als Versuch gedeutet werden, sich der permanenten Einmischung von außen zu entziehen.

Iran wäre nicht die erste Atommacht in der Region, denn Israel hat bereits seit 1957 ein eigenes, streng geheimes Atomprogramm. In der israelischen Negev-Wüste liegt die Atomanlage Dimona, wo mit französischer Hilfe 300 Atombomben sowie nukleare Sprengsätze entwickelt wurden. Israel fürchtet eher den Verlust der eigenen Vormachtstellung, als einen Vernichtungsschlag durch Iran, der zudem mit den von Deutschland gelieferten U-Booten mit Trägersystemen für Atomraketen ohne Weiteres gekontert werden kann.

Nach der jüngsten Zwischeneinigung in Lausanne müsste nun dem iranischen Sicherheitsbedürfnis Rechnung getragen werden. Sollte der „Irandeal“ aufgrund westlicher Hürden scheitern, wäre dies nur ein weiteres Kapitel einer seit Jahrzehnten verfehlten Außenpolitik gegenüber Iran.

Ben Bawey promoviert an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena über den Arabischen Frühling und ist Autor der Bücher „Syriens Kampf um die Golanhöhen“ (LIT) und „Assads Kampf um die Macht“ (Springer Fachmedien).


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Unbekannt13-04-15

Zustimmung! In Wirklichkeit ist Iran der Feuerwehr der Region und löscht überall da die Brände, die andere hinterlassen.

Paul13-04-15

Interessanter Aspekt. Ja, kann ich nachvollziehen.

Zara13-04-15

Endlich bringt es jemand auf den Punkt!

Freidenker14-04-15

Ich vertrete dieselbe Meinung, wie dem religiösen Führer des Iran (siehe: http://german.khamenei.ir/index.php?option=com_content&task=view&id=1087&Itemid=99 ).

Man muss den Westen, wie auch den Osten (China und Russland) misstrauen. Das man den Westen misstrauen muss zeigen die jüngsten Sanktionen der EU (siehe: http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=uriserv:OJ.L_.2015.092.01.0012.01.ENG ). Ich verstehe gar nicht, wie man so verschiedene Ansichten haben kann bei diesen Rahmenabkommen.

Letztlich müsste Iran aus dem NPT Vertrag aussteigen und seine eigene nationalen Interessen vertreten. Hierzu gehört meiner Meinung nach auch die Saudis in ihre eigene Schranken zu verweisen bzw. dieses wahabitische System auf den Müllhaufen der Geschichte zu befördern, damit den terroristischen Gruppen, wie die Al Qaida. ISIS bzw. Daesh und ihre Ableger in Jemen, Somalia. Libyen, Nigeria usw. die Unterstützung der Saudis und Staaten (Kuwait, VAE, Katar, Bahrain) am Persischen Golf unterbunden wird.

Iran muss sein Hinterhof sauber halten können und nicht wie jetzt ein Zuschauer auf einem billigen Platz sein.





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