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26.11.2013 Arad Nir

Erfolgreiches Atomabkommen dank Irans Twitter-Diplomatie?


Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif arbeitet an seinem Notebook.

Irans Außenminister Mohammad Javad Zarif arbeitet an seinem Computer während der ersten Runde der P5+1 Gespräche in Genf am 16. Oktober 2013.

Im folgenden soll ein Aspekt der israelischen Wahrnehmung der erfolgreichen iranischen Diplomatie veranschaulicht werden.

Es scheint, dass noch nie zuvor so viele das Gefühl gehabt haben, eine solch bedeutende Rolle in einem wichtigen diplomatischen Prozess zu spielen, ohne wirklichen Einfluss auf das Geschehen zu haben.

Am Mittwoch, dem 20. November, werden sich die Vertreter der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, Deutschlands und der Europäischen Union in Genf gegenüber Irans Verhandlungsteam einfinden, um zu versuchen, sich auf die Details eines Atomabkommens zu einigen, das die Parteien während der zwei vorangegangenen Gesprächsrunden ausgearbeitet haben. Laut einem Briefing durch US-Verantwortlichen ist Gegenstand der Diskussion das Dokument, auf das sich die Großmächte geeinigt hatten und den Iranern am Ende der zweiten Gesprächsrunde vor Tagesanbruch am 9. November vorlegten. In den Stunden vor dem nächtlichen Drama im Hotel „Intercontinental“ schien es, dass die Vereinbarung bereit war für die Ankunft von US-Außenminister John Kerry und der europäischen Außenminister für eine Unterzeichnungszeremonie. Die Iraner baten jedoch um Zeit, um für Beratungen nach Teheran zurückzukehren.

Während der ersten Runde der Gespräche (vom 15. bis 16. Oktober) war ich im Konferenzzentrum in Genf, wo die Journalisten, die über die erneuten Verhandlungen berichteten, versammelt waren. Nach der zweiten Runde verfolgte ich die Verhandlungen von der Distanz mit Hilfe klassischer journalistischer Mittel und durch soziale Medien. Diese beiden Blickwinkel erlaubten mir, das Verhalten beider Seiten zu analysieren. In Genf wurde ich Zeuge iranischer Staatsdiplomatie in Aktion, und später sah ich, wie erfolgreich sie bei der Beeinflussung der Gespräche und der Schaffung einer bestimmten Atmosphäre gewesen war.

Trotz der schlechten wirtschaftlichen Gegebenheiten, mit denen Iran wegen der ihm von den USA und anderer auferlegten Sanktionen konfrontiert ist, machten die Iraner nicht den Eindruck, als wären sie in einer unterlegenen Position zu den Verhandlungen gekommen. Die neuen Verhandlungsführer brachten einen frischen Wind von Wohlwollen mit begleitet von einem Schwall an Optimismus. Es ist noch nicht sicher, in welchem Ausmaß sich dieser Optimismus rund um den Verhandlungstisch in der Diskussion über Irans Atomprogramm manifestiert, doch die Iraner sorgten dafür, ihn während vertraulicher Gespräche in den Korridoren mit den Hunderten von Journalisten zu verbreiten, die in Genf waren, um über das historische Ereignis zu berichten.

Heutzutage verwandelt sich eine jede derartige Stellungnahme sofort in einen Tweet auf Twitter und wird damit vermutlich zu einer allgemein bekannten Tatsache. In Kenntnis der Macht der Tweets, die Meinung der Journalisten zu beeinflussen – und durch sie die Entscheidungsträger – haben die Iraner „verstärkende Netzwerke“ geschaffen, die die entsprechenden Tweets in ihrem Namen an Zehntausende von Abonnenten verbreiten.

Auf diese Weise verwandelte sich zu Beginn der zweiten Verhandlungsrunde am 7. November eine (angebliche) Aussage eines ranghohen iranischen Verhandlungsführers gegenüber Fars, der halbamtlichen iranischen Nachrichtenagentur, wonach „die Großmächte den iranischen Entwurf akzeptiert haben“, in einen Tweet des Twitter-Accounts von ‚Projekt Iran‘. Das Benutzerkonto hat 11.000 Abonnenten, unter ihnen eine Reihe von Journalisten innerhalb und außerhalb Irans. Jeder einzelne von ihnen hat auch Tausende von Anhängern, die ohne Kontrolle oder Überprüfung des Wahrheitsgehalts der Aussage durch traditionelle journalistische Mittel die Behauptung weitergaben. Das und Ähnliches bestimmten schnell den Umgang der Medien mit dem Verlauf der Verhandlungen.

Nehmen Sie zum Beispiel die Schlagzeile der New York Times am selben Tag für einen Bericht ihres Korrespondenten in Genf: „Der Westen und Iran stehen kurz vor einem Atomabkommen“. Der Text schrieb ausführlich über die „wachsenden Differenzen“ zwischen den Parteien, doch die Schlagzeile wurde an mehr als 10 Millionen Anhänger der renommierten Zeitung getwittert, und diese leiteten sie wiederum an Tausende andere weiter. Auf diese Weise ist die „Offensive des Lächelns“ des iranischen Präsidenten Hassan Rouhani in eine „Salve von Tweets“ verwandelt worden.

Als John Kerry seinen Terminplan am 8. November änderte und unerwartet nach Genf reiste, erklärte (und twitterte) die Sprecherin des Außenministeriums, dass er bei seiner Ankunft gesagt hatte, er hoffe, die Meinungsverschiedenheiten zu überbrücken, dass es jedoch noch erhebliche Differenzen gäbe. Auch hier war die in den Berichten und Tweets wiedergespiegelte Atmosphäre vollkommen anders. „Die Außenminister sind auf dem Weg nach Genf, um das Abkommen mit Iran zu Ende zu bringen“, behauptete ein Tweet. „Gerüchte, dass Kerry für eine Unterzeichnungszeremonie eintrifft“, beteuerte ein anderer. Einer schlussfolgerte: „Wir sind Zeuge, wie Geschichte geschrieben wird.“

Als ich von Tel Aviv aus twitterte und an der Wahrscheinlichkeit eines Abkommens in Genf ohne Anwesenheit des russischen Außenministers Sergej Lawrow zweifelte – die Russen hatten gesagt, er würde nicht kommen – erhielt ich eine Flut von Gegenreaktionen. Das ‚Projekt Iran‘ verlautbarte: „Alles wird ohne Russland gut laufen.“ Es scheint, sie hätten alles getan, um sicherzustellen, dass sich der Diskurs nicht änderte, dass dem Optimismus kein Schaden zugefügt werde.

Es ist interessant, dass der erste politische Prozess, bei dem das soziale Mikroblogging-Netzwerk Twitter genutzt wurde, die iranischen Wahlen im Jahr 2009 waren, als der Kopf der Grünen Bewegung, Mir Hossein Mousavi, gegen den ehemaligen iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad verlor. Im Anschluss an die Wahl wurde die Anschuldigung erhoben, die Ergebnisse wären gefälscht worden, und ernstzunehmende Proteste brachen in Iran aus. Die Ayatollahs machten dann unbarmherzig das zunichte, was man als „modernen Hyde Park“ bezeichnen könnte [Hyde Park gilt als traditioneller Ort für Massendemonstrationen in London, Anm. d. Red.]. Von damals bis heute ist die Nutzung sozialer Netzwerke in Iran begrenzt worden, da dies als eine Bedrohung für das Überleben des Regimes betrachtet wird. Was das Regime zu Hause verbietet, nutzt es jedoch in einer effektiven und raffinierten Art und Weise im Ausland.

Eine am 13. November in den USA veröffentlichte Umfrage ergab, dass 52 % der Befragten die entstehende Vereinbarung zwischen den Großmächten und Iran unterstützten, obwohl es keine offiziellen Informationen über ihren Inhalt gab und ungeachtet der Äußerung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, dass dies das Geschäft des Jahrhunderts für die Iraner sei. Als Kerry versuchte, die Schwere des Widerstands Frankreichs zu der sich in Entwicklung begriffenen Vereinbarung zu schmälern und die Verantwortung für das Scheitern der letzten Runde der Gespräche auf die iranische Delegation schob – die, wie erwähnt, behauptete, sie musste zu Beratungsgesprächen nach Hause zurückzukehren – beschuldigte ihn der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif, natürlich in einem Tweet, der Verdrehung der Tatsachen.

Die „Tweet-Party“ wurde auch in einem Briefing des Außenministeriums in Washington diskutiert. Als die Sprecherin gefragt wurde, wie Kerry auf Zarifs anklagenden Tweet reagiert habe, antwortete sie: „Der Außenminister hat keine besondere Einschätzung der Tweets.“ Zarifs Wortwahl hatte Gewicht, war jedoch unverbindlich, da man einen Tweet immer verleugnen kann, auch wenn er der eigene ist. Er formt aber dennoch weiterhin die Atmosphäre der Berichte und der Analyse.

Ein ranghoher israelischer Offizieller, der stark in die Details einbezogen ist, sagte, dass die Iraner auf zwei parallelen Kanälen arbeiten – einer unter Einbeziehung der Großmächte und ein anderer unter direkter Einbeziehung der Amerikaner. Der US-Kanal öffnete sich sogar noch vor den Wahlen in Iran. Laut dieses Amtsträgers war man sich in Teheran im Klaren darüber, dass die Regierung Barack Obamas um eine Einigung bemüht war. Dementsprechend stellt Israel fest, dass das religiös-politische Staatsoberhaupt Ayatollah Ali Khamenei Rouhani erlaubt hatte, zum Präsidenten gewählt zu werden, um ihm die Befugnis für ein Abkommen mit den Amerikanern zu erteilen.

Das ist der Kontext, innerhalb dessen man die großen Anstrengungen verstehen sollte, die die Iraner in eine Vielzahl von Bereichen investieren, um aus der schwankenden Unentschlossenheit der Vereinigten Staaten und des Westens Kapital zu schlagen. Sie verhalten sich so, als ob sie die Gelegenheit, die ihnen in die Hände fiel, nicht versäumen dürften und sie machen alles in ihrer Macht stehende, um die Regierung Obamas zu nötigen und ihr die Möglichkeit zum Rückzug von einer Vereinbarung zu verweigern, auch wenn es an dieser Stelle nur eine Verdrehung der Tatsachen ist.


Arad Nir ist der Leiter der Auslandsnachrichtenredaktion und internationaler Kommentator für „Channel 2 News“, der größten Nachrichtenanbieter in Israel. Arad berichtet über internationale Politik und Diplomatie und interviewte verschiedene Führungspersönlichkeiten der Welt, Entscheidungsträger und Meinungsmacher. Er lehrt TV-Journalismus an der „IDC Herzliya“ und dem „Netanya Academic College“.

Erstmals veröffentlicht am 19. November 2013 bei Al-Monitor. Übersetzt von Jila Hamrah.


g_h27-11-13

Ich denke, Burns war der Schlüssel.

Rakl03-12-13

Lavrov war der Schlüssel. Nach Presseberichten während der Verhandlungen hieß es, dass die Verhandlungen kurz vor dem Scheitern standen und dann schaltete sich Lavrov ein und konnte erfolgreich vermitteln.

Es ist ein Witz, dass die OPCW den Friedensnobelpreis erhalten hat, es ist ein Organ der auf Auftrag handelt und nicht politisch selbstständig ist. Vielmehr ist wieder bewiesen worden, dass der russische Außenminister am besten würdig war, den Preis zu erhalten.

RA30-12-13

Die iranische Polit-Elite hat endlich verstanden, wo das Problem liegt und die jetzige Administration hat ungleich wie die vorige Regierung in dieser Hinsicht fähige Menschen engagiert: http://www.lenziran.com/2013/10/dr-emad-afroogh-hassan-rohani-adviser-debate-on-tv-about-nuclear-negotiation/





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