23.12.2014 Prof. Dr. Djavad Salehi-Isfahani

Wie könnte sich Iran mit dem fallenden Ölpreis arrangieren?


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Durch eine radikale Reduzierung und Umverteilung der pauschalen Energiesubventionen, kann Teheran seine Ausgaben reduzieren und gleichzeitig die Unterschicht stützen.

Der Sturz des Weltmarktpreises für Öl hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt für die Regierung von Hassan Rohani in Iran eintreten können. Eine Verringerung der Öleinnahmen um 30 Prozent, die er kürzlich in einer Rede mitteilte, schränkt die Möglichkeiten seiner Regierung enorm ein, das im letzten Jahr erzielte bescheidene Wachstumsmomentum beizubehalten, und schwächt die Position Irans in den Verhandlungen über sein Atomprogramm – selbst mit viel Geld ist das Umgehen von Sanktionen eine große Herausforderung gewesen.

In verschiedenen Quellen, vom Wall Street Journal bis hin zum Guardian, wird eine düstere wirtschaftliche Zukunft prognostiziert und behauptet, Iran benötige einen Preis von 140 US-Dollar pro Barrel als „Gewinnschwelle“ und um „liquide zu bleiben“. Sieht die Führung Irans deshalb bei einem Ölpreis von ungefähr der Hälfte dieses Wertes einer tiefen ökonomischen Krise entgegen? Wird sie daher in dieser letzten Verhandlungswoche zu Kompromissen gezwungen sein?

Die Antwort darauf lautet: Nein. Denn im Gegensatz zu Öl-Unternehmen haben Staaten keinen Gewinnschwellenpreis: Sie haben ihre Budgets auszugleichen und verschiedene Möglichkeiten, sich auf niedrigere Ölpreise einzustellen. Sicherlich ist Letzteres schmerzhaft, aber genau wie die meisten anderen ölexportierenden Staaten hat Iran diese Situation eben auch früher schon erlebt und besitzt nun auch neue Möglichkeiten, mit diesem Ausfall sich zu arrangieren.

Der neueste Absturz des Ölpreises lässt außerdem den Verlust der Exporterlöse dramatischer aussehen, als er in Wirklichkeit ist: Da der Ölpreis in US-Dollar gehandelt wird, und die US-Währung im Vergleich zu anderen Währungen ungefähr 10 Prozent gestiegen ist, liegt der Rückgang des Geldwerts des Öls eher bei 20 Prozent und damit niedriger als die 30 Prozent des Ölpreisverfalles.

Die Tatsache, dass während der Ölpreis fiel, der Wert des Rial im Vergleich zum US-Dollar stabil geblieben ist (während der Rubel 23 Prozent an Wert verloren hat), legt die Annahme nahe, den Iranern stehe in naher Zukunft nicht das Schlimmste bevor.

Nichtsdestotrotz ist Iran gezwungen, eine größere Anpassung seines Budgets für dieses Jahr vorzunehmen, nämlich im Umfang von 2,5 bis 5 Milliarden US-Dollar. Das ist abhängig davon, wie sich die Ölpreise im verbleibenden iranischen Haushaltsjahr, das am 20. März 2015 endet, entwickeln werden. (Innerhalb dieses Jahres konnte Iran sein Öl größtenteils für mehr als 100 US-Dollar pro Barrel verkaufen.) Das ist ein Ausfall von ungefähr 6-12 Prozent der geplanten Einnahmen und Ausgaben von 74 Milliarden Dollar für das laufende Jahr. Um sein Versprechen halten zu können, keine Kredite von der Zentralbank aufzunehmen, wird sich Rohani voraussichtlich dafür entscheiden, die Ausgaben zu kürzen und damit möglicherweise die  bereits lange Liste von unbeendeten staatlichen Projekten verlängern, anstatt sich in inflationäre Finanzierungen zu begeben.

Anders stellt sich die Lage für das Budget im nächsten Jahres (2015/2016) dar, das sich jetzt in der Ausarbeitung befindet. Der Regierung stehen zwei große Ungewissheiten bevor, von denen sich eine bald vielleicht in der nächsten Woche lösen sollte, falls bekannt wird, dass die Gespräche zwischen Iran und der G5+1 (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) in Wien, die momentan in Marathonsitzungen geführt werden, in einer Abschlussvereinbarung bis zur Frist am 24. November münden.

Die erste Ungewissheit, nämlich der über den zukünftigen Ölpreises, wird für die nächsten Monate, wenn nicht sogar Jahre, offen bleiben. In der Vergangenheit hat sich die OPEC als machtlos erwiesen, bei einer schwachen Nachfrage den Absturz des Preises zu verhindern, und daher wird das bevorstehende Treffen im November auch nicht viele Lösungen bringen.

Die Zukunft der Sanktionen gegen Iran, die im Moment zwar noch völlig offen steht, sich aber schon bald klären wird, lässt trotzdem Raum für Spekulationen.

Wenn es in der nächsten Woche oder in den darauffolgenden Wochen zu einer Einigung kommen sollte, wird der niedrige Ölpreis weit weniger Auswirkungen auf die Hoffnungen Irans auf einen vollständigen Wirtschaftsaufschwung haben. Iran wird Zugang zu weiteren eingefrorenen Guthaben erhalten und, was noch wichtiger ist, in der Lage sein, mehr Öl zu exportieren - um bis zu einer Millionen Barrel pro Tag - und damit teilweise dem gefallenen Ölpreis entgegenwirken.

Der schlimmste Fall würde eintreten, falls die Verhandlungen scheitern und der Ölpreis weiter fallen würde. Diese beiden Ereignisse könnten gleichzeitig eintreten, abgesehen vom Umstand, dass das Nicht-zustande-Kommen einer Einigung die Unsicherheit über den friedlichen Zufluss von Öl aus dem Nahen Osten vergrößern würde und diese zu einer Anspannung auf dem Ölmarkt führen könnte.

In diesem Szenario würden der Regierung drei Optionen verbleiben, ihr Budget auszugleichen und die Wirtschaft stockend weiterzuführen. Eine Kürzung der Ausgaben wäre sehr schwierig, da sich diese bereits auf einem historischen Tiefpunkt befinden; und eine Steuererhöhung wäre verwaltungsmäßig schwer durchzuführen und politisch unklug. Daher wird die Regierung wahrscheinlich nach einem dritten Weg suchen. Dieser ist dank der Reformierung der Subventionen, die Rohanis Erzfeind, der frühere Präsident Mahmoud Ahmadinejad, im Jahre 2010 gestartet hatte, möglich.

Die dritte Phase dieser Subventionsreform, die momentan noch auf ihrer Umsetzung wartet, könnte gerade die lebensrettende Maßnahme für Ruhanis Plan zum Ausgleich des Budgets sein. Im neuen Budget werden sich wahrscheinlich ohnehin einige Preiserhöhungen im Energiesektor finden,  sollte jedoch keine Einigung zustande kommen, wird diese Erhöhung um einiges deutlicher ausfallen müssen - im Umfang von 50 Prozent mehr.

Angehobene Energiepreise könnten eine Win-Win-Situation sein, um Rohanis Lieblingsmotto an dieser Stelle zu zitieren. Sie könnten helfen, das Budget auszugleichen, die Energieverschwendung sowie die Umweltzerstörung zu reduzieren und die Armen zu unterstützen. Letzteres wäre dank eines zu Ahmadinejads Amtszeit eingeführten Programms möglich, in dem Energiezuschüsse durch Bargeld ersetzt worden sind. Ungefähr 95 Prozent der Iraner erhalten im Moment diese Bargeldzuwendungen von ungefähr 15 US-Dollar pro Person im Monat (das entspricht 45 US-Dollar nach internationaler Kaufkraftparität).

Und es gibt eine Menge Subventionen, die abgebaut oder umverteilt werden können. Iran verkauft im eigenen Land dreimal mehr Öl und Gas, als es ins Ausland exportiert, aber die Inlandspreise werden massiv bezuschusst, und nur die Exporte bringen Gewinn ein. Benzin, von dem die Hälfte von Leuten gekauft wird, die zu den einkommensstärksten 20 Prozent gehören, kostet nach zwei vergangenen Anpassungen nun einen US-Dollar pro Gallone [ca. 3,79 Liter, Anm. d. Red.].

Durch das Anzapfen dieser wichtigen Einkommensquelle könnte das Budget für das nächste Jahr ausgeglichen werden, indem die Energiepreise erhöht und gleichzeitig die ärmsten Schichten der iranischen Gesellschaft für den Verlust ihrer Kaufkraft entschädigt werden. Irans Energiesubventionen sind bereits stark regressiv, weshalb es möglich wäre, die Staatseinnahmen durch ihre Abschaffung zu erhöhen, ohne den Ärmeren zu schaden.

Rohani und seine Unterstützer haben sich gegenüber Ahmadinejads Bargeldtransferprogramm recht kritisch gezeigt, weil sie zum einen das Ankurbeln der Produktion im Gegensatz zur Umverteilung und zum anderen die Schaffung von Arbeitsplätzen für Arme in der privaten Wirtschaft im Gegensatz zu Bargeldauszahlungen seitens der Regierung vorziehen. Aber falls eine endgültige Einigung fehlschlägt, muss die Regierung erhebliche Mengen an Einnahmen über die Erhöhung der Energiepreise erzielen, und die Aufstockung der Bargeldtransfers kann möglicherweise der beste Weg sein,  um einkommensschwache Familien vor dem Fall in die Armut zu schützen.


Von Prof. Dr. Djavad Salehi-Isfahani, derzeit Gastprofessor an der Eliteuniversität Harvard, ständiger Wirtschaftsprofessor an der Technischen Universität Virgina sowie externer leitender Wissenschaftler von der Brookings Institution.

Erstmals veröffentlicht am 20. November 2014 bei LobeLog. Übersetzt von Ulrike Hintze.


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Kasra24-12-14

Eine weitere Option, die man zumindest erwähnen sollte, wäre ein von Iran unter dem Vorwand der Bekämpfung des IS geführter Krieg gegen Saudi-Arabien, der bei vollständigr Zerstörung der saudischen Ölförderkapazitäten sicherlich einen massiven Effekt auf den Ölpreis hätte.

rehenbuerge24-12-14

es wäre, es würde, es könnte, in diesem szenario.... das nennt sich analyse.

Anonym24-12-14

Was hier nicht geschildert wird, ist dass die Milizen, Basijis und bezahlten Schläger des Regimes bei weiter sinkendem Ölpreis schwer zu finanzieren sind. Wenn Khamenei seine Milizen nicht mehr finanzieren kann stürzt die Mullahdiktaur in kurzer Zeit.
Für die Bevölkerung bietet der fallende Ölpreis unheimliche Chancen sich aus den Klauen der Islamisten zu befreien.

SMG25-12-14

Diese neue Öl-Krise ist endlich eine erste ernsthafte Herausforderung für die iranische Exekutive, die einen Comeback der Mullahs und Mullah-Söhne im Präsidialamt feiern wollte. Doch diese Herren haben wie ihr Mentor, dem Oligarchen Rafsandschani, nur im Sinn dass möglich ihre eigenen Positionen und Wohlstand nicht angerührt wird. Was die Menschen machen inteessiert die kein Deut. Das sieht man daran mit welche Beharrlichkeit die Lüge , die inflation liege bei unter 20% von Mullah Rohani propagiert wird. Die wirtschaftliche Situation hat sich trotz massiver nachgiebigkeit von Rohani gegenüber dem Westen dramatisch zugespitzt, so dass davon auszugehen ist, dass die nächste innenpolitische Unruhe, die der am Stadtrand und in benachteiligten Gebieten lebenden Menschen aus der Unterschicht sein wird, während Rohani die 3% wohlhabenden, zum teil korrupten und mit seiner Clique verwandt und verschwägerten Parlamentariern als Bevölkerung ansieht und die restlichen 97% ihm egal sein werden.

Andreas Lotter28-12-14

Nur der Iran greift keine andere Länder an, das liegt nicht in seiner Kultur. Nicht alle Länder passen sich eben an die USA und deren Standards an.

Orientalist29-12-14

@Anonym

Das ist Unsinn, weil Iran schon mit niedrigeren Ölpreisen zurechtkam.

Kasra05-01-15

Gerade weil es um die Sicherung des Systems und seiner Exekutive geht, gibt der niedrige Ölpreis unter Umständen den Hardliner gute Argumente, dass der eingeschlagene Kurs der Öffnung aus Ihrer Sicht keinen Sinn macht. Ich stimme Andreas Lotter nicht zu, dass der Iran keinen Krieg starten würde. Es gibt viele Falken, die nur auf einen solchen Grund warten. Zudem könnten diese Leute, den Wirtschaftkrieg Saudi-Arabiens auch als Vorwand nehmen um militärisch zu agieren. Man sollte das Potenzial der Hardliner also nicht unterschätzen, v.a. nicht, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen sollten.

Uhland05-01-15

@Kasra

Die Verfügungsgewalt über Krieg und Frieden hat Ayatollah Khamenei und nicht irgendwelche Hardliners... keep calm...

daniel13-03-15

endlich den markt für Touristen auf machen.

ITB13-03-15

Der Markt für den Tourismus in Iran ist doch schon längst auf. Der Tourismus in Iran boomt regelrecht. Deutsche bekommen schon Visen im Flughafen bei der Ankunft. Diese Regelung hat sogar schon die Regierung Ahmadinejads beschlossen.

daniel23-03-15

so die TÜRKEI DUBAI usw,,,,
sind die Gewinner immer!!!!!!!!!!!
noch!!!!!!!
und das iran wegen Reichtum geschlossen hat oder nicht will ..

ist klar bei der iranophobie das jetzt herrscht durch die dummen Exil Iraner die noch daran glauben ihre Geburtsort scheiße oder wie saudiarabien darstellen … und dann noch die blöde Bildzeitung hahaha ist klar iran boomt ne mein ITB ZIO TÜÜÜÜRKEI BOOOOOOOOMMMMT und wird zu super macht und dubai wird noch reicher und das OHNE ÖL OHNE ÖL OHNE ÖL OHNE ÖL ::::::: )))))))





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