27.11.2014 IranPolitik

Einblicke in die Ansichten der Islamischen Republik zum Internet und seine Zukunft in Iran


Internetcafé Qom Iran Cafe Anschluss Internetzugang

Internetcafé in Qom. Knapp 29 Prozent der Menschen in Iran haben zu Hause einen Internetzugang und etwa 55 Prozent der IranerInnen haben jederzeit die Möglichkeit ins Internet zu gehen.

Der iranische Menschenrechtsbeauftragte gibt Einblicke in die Ansichten des Regimes zum Internet und über seine Zukunft in Iran.

Der Menschenrechtsbeauftragte Mohammad-Javad Larijani gab kürzlich ein aufschlussreiches Interview zur Frage des Internets in Iran, das möglicherweise einige Schlüsselaspekte der Haltung der Islamischen Republik gegenüber dem Cyberspace aufzeigt.

Als Leiter des Instituts für Forschung und Grundlagenwissenschaften (IPM), das als erste Einrichtung in Iran überhaupt schon in den frühen 1990er Jahren an das Internet angeschlossen wurde, lacht Larijani über Behauptungen, er „sei gegen das Internet“ eingestellt, und sagt, das träfe auf ihn nicht zu. Allerdings äußerte er zwei Hauptbedenken zur Rolle des Internets in Iran:

„Ein Aspekt davon ist der Missbrauch des Westens auf den Zugang zu Informationen, was eine Sicherheitsfrage ist, auf die alle Staaten empfindlich reagieren. Der andere Aspekt ist die Aufdringlichkeit der westlichen Kultur, die unsere eigene Kultur zweitrangig macht. Das ist ein arger kultureller Angriff und wir müssen hier sensibel sein.“

Er hob insbesondere das „infrastrukturelle“ Problem hervor, vor dem Iran mit seiner Abhängigkeit vom Westen steht, da es den Westen für den Zugang zum Internet benötigt. Er bemerkt dazu Folgendes:

„Zum Beispiel ist es sehr schlecht, dass momentan im Internet eine Nachricht von einem Punkt - nehmen wir z.B. von Teheran - zu einem anderen Punkt in Teheran, zuerst nach Amerika muss und dann wieder nach Iran zurückkehrt. Ich bin sehr für die Nutzung eines Nationalen [Informations-]Netzwerks“ und „wir dürfen Iran nicht für eine Übermittlung von A nach B verlassen."

Beim Nationalen Informationsnetzwerk (NIN) handelt es sich um Irans nationales Intranet-Projekt, das eine Kombination von iranischen Netzwerken, Hardware und Software/Applikationen nutzt, um die Online-Aktivitäten der Iraner und ihre Präsenz im globalen Internet abzuschirmen. Iran ist in einer Reihe mit Ländern wie China ein führender, wenn nicht sogar der führende Staat bei den Bestrebungen, ein nationales Internet aufzubauen.

Aber solange das NIN nicht erfolgreich umgesetzt ist, kümmert sich die Islamische Republik um ihre kulturellen und Sicherheitsbedenken zum Internet mit einem allgegenwärtigen Filtersystem für das Web. Wenn Larijani von einem Reporter zu seiner Meinung über das Filtern gefragt wird, betont er die Wichtigkeit von Filterung, indem er sagt:

„Das Filtern, worauf Sie hinweisen, ist eine der Fragen, die sich allen in der Welt stellt, natürlich auf Grundlage ihrer eigenen Sensibilität und diese hat ihre eigenen Mechanismen. Der Filter ist wie die Tür und die Wand, die dein Zuhause umgeben. Wenn du eine Tür hast, bringst du natürlich auch ein Schloss an. Ein Dieb kann die Tür immer noch öffnen, aber er muss etwas professioneller sein. Und nur weil einige Diebe Türen öffnen können, würdest du nicht die Tür zu deinem Haus entfernen oder die Wände abreißen, und Filtern ist das Gleiche.“

Dennoch sieht Larijani unter bestimmten Voraussetzungen auch potenzielle positive Aspekte im Internet:

„Ich glaube fest daran, dass diese Technologien auch nützliche Funktionen haben, solange wir diese selbst entwickeln. Wenn wir bloß reine Nutzer dessen bleiben, werden wir von ihnen unterworfen, aber wenn wir sie selbst entwickeln, dann bringen sie großen Nutzen.“

„Wir glauben, dass die Nutzung dieser Technologie mit der richtigen Einstellung sicherlich für die Erfüllung unserer islamischen Ziele sowie für die Entwicklung und Vermittlung des Islams viele bedeutende Vorteile hat.“

Dieses Interview mit Larijani zeigt, dass Iran dem gegenüber steht, was von Cyberspace-Experten als das „Dilemma von Diktaturen“ bezeichnet wird. Regime mit autoritären Zügen stehen vor der Herausforderung, den Balanceakt zwischen dem potenziellen Nutzen (wirtschaftlicher, wissenschaftlicher und anderer Art) des Internets und den möglichen Nachteilen, insbesondere dem entstehenden Raum für die Emanzipation der Zivilgesellschaft und der Bevölkerung im Ganzen, zu vollziehen. Mit dem NIN-Projekt lässt sich Iran auf einen einzigartigen Weg ein, dessen Wirksamkeit auf lange Sicht alles andere als sicher ist.


Erstmals veröffentlicht am 29. Oktober 2014 bei IranPolitik. Übersetzt von Ulrike Hintze.


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Le Mec27-11-14

Ich schätze den Anspruch der Iraner, das US-Monopol auf Kontrolle der so wichtigen Ressource Internet zu brechen einerseits als richtig und lobenswert ein, andererseits hatte ich meine anfänglichen Zweifel daran, ob so etwas angesichts eines des immensen technischen, logistischen und infrastrukturellen Vorsprungs der Amerikaner überhaupt möglich ist. Jedoch glaube ich fest an den Langmut der Iraner, insbesondere in der Entwicklung technischer Errungenschaften.

QS03-12-14

Mohammad-Javad Larijani ist der konservativste der Larijani-Brüder und ist nicht nur der Leiter, sondern auch der Gründer des "Instituts für Forschung und Grundlagenwissenschaften" (IPM), das als erste Einrichtung in Iran schon in den frühen 1990er Jahren an das Internet angeschlossen wurde.

Nada13-12-14

Ich habe mal gehört, dass es an bestimmten Tagen zur bestimmten Zeiten in Iran das Internet abgeschaltet wird. Wieso?

Freedom18-12-14

[...]*

MODERATION: Bitte bleiben Sie beim Thema des Artikels. Vielen Dank.

Iranisch19-12-14

Nada, das ist die krasse Ausnahme.





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