12.11.2014 Lena Späth

Menschenrechte unter Hassan Rohani: Reformen oder alles wie immer?


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Der massive Drogenanbau in Afghanistan und der damit einhergehende Schmuggel über und nach Iran ist mitunter eine wesentliche Ursache für die zahlreichen Hinrichtungen in Iran.

Fast zeitgleich mit der Hinrichtung von Reyhaneh Jabbari veröffentlichte der UN-Sonderbeauftragte für Menschenrechte in Iran, Ahmad Shaheed, seinen neuen Bericht. Ob sich die Lage eineinhalb Jahre nach der Wahl Hassan Rouhanis zum Präsidenten substantiell geändert hat, bleibt angesichts der letzten Ereignisse umstritten.

Noch im Wahlkampf 2013 hatte es Rouhani zum Ziel seiner Regierung erklärt, die Sicherheit, Privatsphäre und Presse- und Meinungsfreiheit der Bürger gewährleisten zu wollen. Auch sollten alle ethnischen Minderheiten in den Politikprozess einbezogen werden. Der neue UN-Bericht sieht die Menschenrechtssituation in Iran aber weiterhin kritisch.

Der Fall der 26-jährigen Jabari steht symbolisch für eines der größten Probleme in Iran, nämlich die Todesstrafe. Die Innenarchitektin hatte 2007 einen Chirurgen - nach eigenen Angaben in Notwehr - erstochen. Der Mann habe sie vergewaltigen wollen. Sowohl Jabaris Anwälte als auch Menschenrechtsorganisationen kritisierten, dass der Fall nicht ausreichend untersucht und somit kein faires Verfahren garantiert worden sei. Allerdings habe Jabari widersprüchliche Aussagen getätigt, wie die zwischenzeitliche Aussage, dass doch eine dritte Person den Arzt getötet habe. Des Weiteren habe sie im Voraus per SMS einen ihrer Freunde die Tat angekündigt sowie die Tatwaffe zwei Tage vor dem Treffen gekauft. Sechs verschiedene Richter beschäftigten sich in mehreren Instanzen mit dem Fall. Zuletzt bemühte sich die iranische Justiz, darunter der iranische Menschenrechtsbeauftragte, bei der Familie des Opfers, vergeblich eine Begnadigung zu erwirken

Weltweit die meisten Hinrichtungen nach China

Die Zahl der Hinrichtungen stieg in Iran laut der UN in den letzten Jahren dramatisch an. In Rouhanis Amtszeit - zwischen Juli 2013 und Juni 2014 - lag sie bei mindestens 852 Hinrichtungen. Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es 580 Hinrichtungen gewesen. In diesem Jahr sollen laut der Organisation Iran Human Rights Documentation Center bereits 586 Personen exekutiert worden sein. Nach China, das keine Zahlen veröffentlicht, ist Iran seit Jahren das Land mit den meisten Hinrichtungen.

Mord ist dabei nicht die einzige Tat, auf die die Todesstrafe steht. Dazu zählen neben Ehebruch vor allem Drogendelikte, die nach iranischen Angaben mehr als 80 Prozent der Hinrichtungen in Iran ausmachen und von führenden iranischen Politikern selbst in der Kritik stehen. Mitglieder ethnischer Minderheiten, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten sehen sich dagegen immer wieder dem sehr weitgefassten Vorwurf des "Krieges gegen Gott und den Staat“ ausgesetzt. Auch er qualifiziert für die Todesstrafe.

Viele Personen erhalten im Allgemeinen weder einen nach iranischen noch internationalen Regeln entsprechenden Prozess, so heißt es von Kritikern. Zudem gab der Sonderbeauftragte des Präsidenten für die Angelegenheiten ethnischer und religiöser Minderheiten im Februar dieses Jahres zu, dass der Sicherheitsapparat Richter unter Druck setze, um Verfahren in die gewünschte Richtung zu lenken.

Auch psychologische und körperliche Foltermethoden wie Einzelhaft, Scheinhinrichtungen, angedrohte Vergewaltigungen, Schläge, Elektroschocks und Verbrennungen werden scheinbar weiterhin systematisch angewandt. Die iranische Regierung hingegen gab an, in letzter Zeit erfolgreich zahlreiche Schritte zu unternehmen, um die bestehenden Gesetze und den Verfassungsartikel gegen Folter stärker durchzusetzen.

Rohani: „In Iran ist niemand wegen journalistischer Arbeit inhaftiert“

Ende September irritierte Irans Präsident Rouhani mit einem Kommentar zur Situation in den iranischen Gefängnissen. So antwortete er in einem CNN-Interview mit Christiane Amanpour auf die Frage, ob Jason Rezaian, Korrespondent der Washington Post in Iran, und seine Frau Yeganeh Salehi demnächst aus der Haft entlassen würden: „Ich glaube nicht, dass in Iran irgendjemand im Gefängnis sitzt, weil er Journalist ist.“ In einem offenen Brief von 135 Journalisten wurde Rohani für diese Aussage kritisiert.

Das iranische Pressegesetz von 1986 verbietet Inhalte, die den Islam und die Grundsätze der Verfassung ablehnen. Diese weiche Definition führt dazu, dass die iranische Regierung die Presse- und Meinungsfreiheit seit Jahren omnipräsent einschränkt, unter anderem durch das Filtern von über 5 Millionen Internetseiten, das Blockieren von Internetdiensten wie Facebook, die Einschränkung der Verbindungsgeschwindigkeit, die Störung ausländischer Satellitenkanäle und die Suspendierung von Zeitungen und Zeitschriften.

Ikone iranische Frau

Irans Präsident will nun in einem Fall Maßnahmen ergreifen, der an sich keine Menschenrechtsverletzung durch den Staat darstellt. Die Säureattacken in Isfahan, denen laut unterschiedlichen Angaben zwischen acht und 14 Frauen zum Opfer fielen, führten innerhalb Irans zu Protesten. Bisher noch unbekannte Motorradfahrer hatten den meist jungen Iranerinnen auf offener Straße Säure ins Gesicht geschüttet und sie so schwer verletzt. Es wird spekuliert, dass die Frauen - wie viele ihrer Altersgenossinnen - die islamische Kleiderordnung lockerer interpretiert hatten. Solange die Täter nicht gefasst sind, sind die Motive unklar. Jedoch verläuft in Iran deutlich ein Riss zwischen religiösen Konservativen und westlich eingestellten Liberalen. Nichtsdestotrotz trägt der Staat seinen Teil zur Debatte um die islamischen Kleidervorschriften und somit der Rolle der muslimischen Frau bei. So existiert im Parlament ein Gesetzesvorschlag, der es jedermann erlaubt, auf Missachtung der islamischen Vorschriften in der Öffentlichkeit hinzuweisen. Der Entwurf wurde von den Abgeordneten noch nicht gebilligt.

Die Stellung der iranischen Frau wird sowohl von einheimischen als auch internationalen Organisation immer wieder kritisiert. Auch der aktuelle Bericht des UN-Menschenrechtsbeauftragten für Iran, Ahmad Shaheed, äußert sich besorgt. Neben benachteiligenden Gesetzen betrifft dies vor allem die mangelnde Repräsentation von Frauen im wirtschaftlichen und politischen Leben. So machen Frauen nur 16 Prozent der Arbeitskräfte und nur 17 Prozent aller Führungskräfte, Abgeordneten und hochrangigen Beamten aus. Nur drei Prozent der Parlamentarier sind weiblich. Präsident Rouhani setzte jedoch mit der Ernennung von drei Frauen zu Vizepräsidentinnen ein anderes Zeichen.

Auch im häuslichen Umfeld gestaltet sich das Leben der Frauen teilweise schwierig. So wurden 66 Prozent aller iranischen Frauen in Iran bereits Opfer häuslicher Gewalt. Zum Vergleich: In Europa ist jede dritte, in Deutschland jede vierte Frau betroffen. Die UN kritisiert, dass die iranische Gesetzgebung hierzu noch unzureichend ist. Das iranische Parlament bereitet jedoch ein Gesetz vor, um jegliche Formen häuslicher Gewalt zu definieren.

Der UN-Menschenrechtsbericht wird von Konservativen in Iran als überzogen und verzerrt kritisiert. Seit seinem Amtsantritt 2011 hat der UN-Sonderberichterstatter Ahmed Shaheed keine Erlaubnis zum Besuch Irans erhalten und ist darauf angewiesen, seine Recherchen per Telefon oder Skype zu führen.

Neue Atmosphäre der Öffnung?

Das Urgestein der iranischen Politik, Haschemi Rafsandschani, gab kürzlich im September zu, dass zu viele Einschränkung der Freiheit der Bürger existierten, er meinte jedoch: „Die Lage ist besser als in den vergangenen acht Jahren.“ Mit dieser Einschätzung beschreibt er die bisherige Regierungszeit des Präsidenten Hassan Rouhani. Allerdings werden Parlament und Justiz weiterhin von den Konservativen dominiert.


Lena Späth ist Iranistin und freie Journalistin aus München.


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Denker12-11-14

"... der UN-Sonderberichterstatter Ahmed Shaheed... ist darauf angewiesen, seine Recherchen per Telefon oder Skype zu führen."

Alle klar, im Zeitalter von Geheimdienstmanipulation ein sehr probates Mittel. Es gibt immer wieder renommierte Mainstream-Bücher über die Zusammenarbeit von Journalisten und Geheimdiensten, auch hier in Deutschland. Tip: Undercover - Der BND und die deutschen Journalisten

Würde mich gar nicht wundern, dass es solche enge Verbindungen auch im Bereich des Menschrechtsaktivismus gibt.

Jurist12-11-14

"Krieges gegen Gott und den Staat“

Der Vollständigkeitshalber sollte auch erwähnt werden, dass dieser Anklagepunkt in den meisten Fällen in den höheren Instanzen fallen gelassen wird. Denn laut SGB Irans gilt dieser Straftat nur, wenn dieser "Krieg" bewaffnet und nicht politisch geführt wird.

siglinde13-11-14

Warum schaut man nicht, was in den USA los ist. Mal abgesehen von der Todesstrafe haben wir 30.000 Tote jedes Jahr durch Schußwaffen...sowas nennt man woanders Bürgerkrieg. Und es sind die Armen untereinander, die sich erschießen, mit Waffen gekauft von den Reichen. Warum will ein modernes Land wie die USA an solchen Zuständen nichts ändern?
Dann ist mir eine Land lieber, in der es streng zugeht und man weiß, wofür man bestraft wird, als dass ich jeden Tag Angst haben muss vom Nachbarn oder irgendeinem Bengel erschossen zu werden. Das eine ist berechenbar, das andere reine Willkür.

Johann14-11-14

In China leben mehr als eine Milliarden Menschen. In Iran fast 80 Millionen und in Singapur ca. 5 Millionen. Amnesty International ließ einmal nahe liegen, dass Singapore verhältnismäßig die höchste Todesstrafe der Welt hat.

Warum spricht nie jemand von Singapur, wenn es um die Todesstrafe bzw. um Menschenrechte geht?

Le Mec15-11-14

Es gilt: je feindlicher man einem Staat gegenüber tritt, desto verschlossener wird er nach innen. Wer mehr Freiheit in Iran möchte, sollte sich meiner Meinung nach für gute Beziehungen zur Islamischen Republik bemühen.

Engelhardt30-12-14

Solche Restriktionen stören aber den Westen kaum: Teheran verweigert Ahmadinedschad Erlaubnis für Uni-Gründung

http://www.n-tv.de/ticker/Teheran-verweigert-Ahmadinedschad-Erlaubnis-fuer-Uni-Gruendung-article14228301.html





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