12.08.2014 Ali Özkök

Irans Exil-Opposition verliert an Bedeutung


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Pro-staatliche Demonstration zum Jahrestag der Islamischen Revolution.

Auch wenn George W. Bush politisch nicht mehr viel auf den Weg bringen konnte, nachdem seine Partei bei den Wahlen 2006 beide Häuser des Kongresses verloren hatte: Für die Reservierung eines üppigen Haushaltsposten von 400 Millionen US-Dollar reichte es in jedem Fall noch, die 2007 genehmigt wurden, um unter der Federführung der Geheimdienste klandestine Aktionen gegen die Islamische Republik Iran zu organisieren, um die Republik so weit zu unterminieren, dass ein Regimewechsel möglich werde.

Sieben Jahre danach stehen die USA vor der aus ihrer Sicht höchst unbefriedigenden Situation, dass es nicht nur nicht zu einem Regimewechsel in Iran gereicht hat, sondern dass man ausgerechnet dessen Unterstützung braucht, wenn es darum geht, die verheerenden Folgen ihrer Syrien-Politik im Irak in den Griff zu bekommen.

Immerhin scheinen auch die zwar noch nicht vollendeten, aber immerhin auf einem guten Weg befindlichen Verhandlungen rund um das iranische Atomprogramm die Motivation Washingtons, die Islamische Republik zu destabilisieren, nicht wirklich anzufachen – darüber, dass die Exil-Opposition im europäischen, arabischen oder amerikanischen Exil aussterben könnte, braucht man sich wohl dennoch keine Sorgen zu machen.

Ja, es gibt sie noch. Und das, obwohl dies nur wenige Menschen inner- und außerhalb Irans auffallen dürfte.

Der Sohn des Schahs, Cyrus Reza Pahlavi, darf ab und zu in westlichen “Qualitätsmedien” seine Visionen darlegen, wie er die Gegner der Islamischen Republik vereinen möchte – allerdings kann sich seit seinen Auftritten in westlichen Medien im Zusammenhang mit den Unruhen nach den Präsidentschaftswahlen 2009 kaum jemand daran erinnern, seither wieder etwas Nennenswertes von ihm gehört zu haben. Bei Facebook gibt es knapp 30.000 Personen, denen seine Wikipedia-Seite gefällt. Eine eigene, von ihm selbst oder Mitarbeitern betreute Präsenz im weltweit größten sozialen Netzwerk gibt es jedoch nicht.

Weitaus umtriebiger ist da schon der „Nationale Widerstandsrat Iran“ (NRWI), dessen Präsidentin Mariam Radschawi es kürzlich immerhin zur Interviewpartnerin des „Zollern-Alb-Kuriers“ gebracht hat. Diese Vorfeldorganisation der bis September 2012 selbst von den USA als „terroristische Organisation“ betrachteten „Volksmodschahedin“ (MEK) verfügt in Deutschland über 900 Mitglieder.

Immerhin ist die Onlinepräsenz dieser Gruppierung verhältnismäßig stark ausgeprägt. Neben einer tagesaktuellen, aufwändig gestalteten Homepage, die Beiträge und Dossiers in sechs Sprachen anbietet, verfügt der offizielle englischsprachige Facebookaccount der Gruppe über knapp 84.000 Personen, die mittels einer „Gefällt mir“-Angabe entweder ihre Sympathie für die Gruppierung oder aber zumindest ihren Willen zum Ausdruck gebracht haben, von der NRWI auf Facebook über aktuelle Berichte auf der Webseite auf dem Laufenden gehalten zu werden.

Dabei scheint sich allerdings das Partizipationsinteresse in Grenzen zu halten: Es finden sich trotz der hohen Zahl an Abonennten nur sehr wenige Kommentare zu den verlinkten Artikeln, und auch die Zahl derjenigen, die durch Likes oder Teilen an der Weiterverbreitung im sozialen Netzwerk mitwirken, bewegt sich meist im einstelligen Bereich.

Die Annahme, dass hier Fans mittels Astroturfings „mobilisiert“ worden sein könnten, scheint angesichts dieser Situation zumindest nicht ausgeschlossen zu sein. Bereits im Zusammenhang mit einigen Massenveranstaltungen der Organisation – zuletzt Ende Juni in Frankreich – wurde verschiedentlich kolportiert, dass die Gruppierung, der von Kritikern unter anderem sektenhafte Züge und sehr handfeste Disziplinierungsmaßnahmen gegen Abtrünnige und Abweichler vorgeworfen werden, bezahlte Statisten ohne Bezug zu Iran herankarre, um den Eindruck der Bedeutsamkeit zu erwecken.

Die etwas über 1.000 Facebook-Anhänger der unverwüstlichen „Tudeh“-Partei dürften hingegen echt sein. Mit neuen Beiträgen wird der Account etwa alle 14 Tage bestückt. Etwa alle drei Monate gibt es auch in deutscher Sprache ein zweiseitiges „Informationsblatt“, das im Regelfall aus der Wiedergabe – teils sogar wortwörtlich identischer – marxistischer Kampfparolen und Verwünschungen gegen die Autoritäten der Islamischen Republik Iran besteht.

Nicht viel anders würde es vermutlich bei der „Arbeiterkommunistischen Partei Irans“ aussehen, wenn diese zumindest über einen Webauftritt verfügen würde, doch dessen deutschsprachige Sektion ist schon seit Jahr und Tag „under construction“. Auf Facebook unterhält die Gruppe die Seite einer Sektion aus Toronto und ein paar Gruppen, von denen jedoch kaum eine mehr als 100 Mitglieder umfasst.

Hier in Deutschland dürfte die Gruppe vor allem den jährlichen Verfassungsschutzbericht als kostenlosen Werbeträger betrachten und sich weiter über ihre Vorfeldorganisation, den „Zentralrat der Ex-Muslime“, an die üblichen Verdächtigen unter den Islamophoben anbiedern.

Viel bessere Aussichten haben auch die übrigen Exil-Parteien nicht, die sich in westlichen Medien als Hoffnungsträger breiter Volksmassen präsentieren und auf offene Ohren stoßen, weil ihre Gesprächspartner ihren Darstellungen Glauben schenken – und zwar meist nur deshalb, weil sie daran glauben wollen.

Allerdings befinden sich unter diesen auch Gruppierungen, die unter Kennern der Szene als weitaus seriöser gelten als die vorgenannten Exoten. Die jüngsten politischen Entwicklungen in und um Iran dürften jedoch dazu führen, dass die Exil-Opposition insgesamt weniger Resonanz bei den westlichen Entscheidungsträgern findet. Die hoffnungsvollen Entwicklungen rund um die Atomgespräche, die notwendige Zusammenarbeit gegen das IS-„Kalifat“ im Irak und in Syrien sowie die stabile innenpolitische Lage in Iran schaffen keine Situation, in der es zweckdienlich erscheint, die Islamische Republik zu unterminieren.

Dennoch werden die zum Teil bereits seit Jahrzehnten erfolglos auf ihre Stunde wartenden – und vom fernen Westen aus immer mehr den Kontakt zur gesellschaftlichen Wirklichkeit in Iran verlierenden – Oppositionsführer wohl oder übel weiter an ihren eigenen Legenden stricken müssen. Eine andere Wahl bleibt ihnen wohl nicht übirg.


Babek12-08-14

Sehr schöne gleichgewichtige Erläuterung der Parteiensituationen. Vor Allem wenn es um "wahre" und "fake" Anhänger handelt, bedarf es einer detaillierten Analyse. Dass die Weltpolitik die Schmerzen der Sanktionen spüren, war den betroffenen Ländern selbst bevor diese sie ausgesprochen haben, längst bekannt. Aber man schwimmt halt mit...

Peter13-08-14

Es ist zu begrüßen, dass Sie in diesem Artikel eben auch die wirklichen Kenner unter den Exil-Iranern erwähnen, die es durchaus gibt, und die eben nicht so extrem durch ihre Ideologie verblendet sind. Ich kenne einige dieser Exil-Iraner und ihr Anliegen ist sehr verständlich. Ich würde mich auch für einige Ihrer Belangen einsetzen. Diese Exilanten sollten sich aber von der NWRI und anderen unseriösen Gruppen distanzieren. Die NWRI war mir schon lange nicht geheuer, das merkt man alleine an ihrem Schreibstil und an ihrer einseitigen Darstellung.

Martin13-08-14

Das ist ein Problem, dessen ich mir erst spät bewusst geworden bin: Man lernt hier einige Iraner kennen, will mehr über ihr Land erfahren und weil sie Iraner sind, fühlen die sich scheinbar dazu verpflichtet, irgendeine Antwort zu geben, obwohl sie von ihrem Land, so wie es jetzt existiert, einfach kaum etwas wissen. Besonders verzerrt werden solche Darstellungen schließlich durch solche Gruppen wie in diesem Artikel beschrieben. Geht es denen wirklich um das Wohlergehen der Menschen in Iran? Dann frage ich mich,warum sie die Sanktionen nie so enthusiastisch kritisiert und verurteilt haben, denn dies hat weitaus mehr Menschen betroffen.

Anonym13-08-14

Es gibt ca.4-6 Mio. Exiliraner auf der ganzen Welt verteilt, die in der Regel das Mullahregime ablehnen, aber untereinander auch nicht organisiert sind. Das Regime der Mullahs ist nicht durch die Exiliraner bedroht, sehr wohl aber durch die Unzufriedenheit der Iraner selbst. Daher ist es auch verblüffend warum die Mullahs immer so gegen die Exiliraner poltern und die zahlreichen internen Proteste auf die Exiliraner schieben.

Unbekannt13-08-14

Natürlich hat die Exil-Opposition eine Wahl. Sie sollte sich im Ausland gegen die Sanktonen stark machen, damit könnten sie in Iran wieder populärer werden.





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