16.07.2014 Mohammad Ali Shabani

Amerika und Iran befriedeten schon einmal den Irak


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Um den Irak vor sunnitischen Extremisten zu retten, mobilisiert Iran derweil Verbündete im Irak und fördert eine Kooperation zwischen der irakischen Regierung und Syrien. Washington schickte unterdessen Militärberater nach Bagdad. Jeder für sich setzt sich nunmehr beherzt ein. Ohne eine angemessene Koordination all dieser Unterfangen, ist der Erfolg Washingtons und Teherans jedoch zum Scheitern verurteilt.

Irak war bis vor kurzem ein Schlachtfeld zwischen Iran und den Vereinigten Staaten. Eine ganze Reihe amerikanischer Militärkommandanten kämpfte gegen den iranischen General Qassim Suleimani, dem Kopf hinter den Operationen der iranischen Revolutionsgarden (Sepah-e Pasdaran, IRGC) im Ausland, um Einfluss. Während der Hochphase der US-amerikanischen Okkupation, übte eine Handvoll iranischer Männer im Nachbarland mehr Macht aus, als die 150.000 Mann starke US-Armee.

Trotz einer über weite Strecken von Feindschaft geprägten Vergangenheit zwischen den USA und Iran, können beide jetzt noch Irak retten, wenn sie zusammenarbeiten. Die Geschichte belegt die Fähigkeit beider Mächte, den Irak vor dem Abgrund zu bewahren. Der ausartende Bürgerkrieg, der das Land von 2006 bis 2008 heimsuchte, zeigt eine klare Lektion, wie das aktuelle Blutvergießen zu stoppen ist. 

So war bereits damals Iran das einzige Land, das Syrien dazu drängen konnte, die Nachschublinien der sunnitischen Djihadisten zu blockieren, und das zudem fähig war, die Todesschwadronen der Schiiten an die Kandare nahm, die drauf und dran waren, die Sunniten aus Bagdad zu vertreiben. Die USA für ihren Teil waren - als Besatzungsmacht - in der Lage, auf die rebellischen sunnitischen Stämme zuzugehen und diese zu integrieren. Ohne Koordinierung wäre solch ein Unterfangen nicht möglich gewesen. 

Abdul Aziz al-Hakim, Vorsitzender des „Obersten Islamischen Rates Irak“, und Präsident Jalal Talabani setzten sich zu der Zeit für ein gemeinsames Handeln der Regierungen in Washington und Teheran ein. Trotz der Tatsache, dass die Atomverhandlungen zwischen Iran und der Europäischen Union (EU) scheiterten, gelang es den USA und Iran, an einem Strang zu ziehen. 

Der erste entscheidende Schritt hin zum Ende der Gewalt markierte eine stillschweigende amerikanisch-iranische Unterstützung für den schiitischen Premierminister Nouri Kemal al-Maliki. Nachdem Maliki Premierminister wurde, zeigte er sich erkenntlich. Binnen einem Jahr trafen sich im Sommer 2007 iranische und amerikanische Diplomaten in seinem Büro - das erste ranghohe Treffen zwischen den beiden Gegnern in fast 30 Jahren.

Al-Hakim und Talabani sind nicht mehr auf der politischen Bühne. Aber Nuri al-Maliki ist es nach wie vor. Trotz der autoritären Tendenzen Malikis und seines Versagens bei der Integration der Sunniten in den politischen Prozess, ist er heute der am wenigsten unpopuläre irakische Politiker. Sein Erfolg bei den Wahlen am 30. April ist ein Beleg dafür.

Und Iran und Amerika sind sich letztlich darüber einig, Maliki mangels Alternativen an der Macht zu halten. Trotz Gepolter im Kongress, stellte Verteidigungsminister Chuck Hagel fest, dass „die Frage, ob Maliki zurücktreten soll, eine interne Angelegenheit des Irak ist“. Und Präsident Obama zögerte nicht, Militärpersonal in den Irak zurückzusenden.

Das Ergebnis der sunnitischen Offensive ist vorhersehbar. Die ISIS wird dabei scheitern, die eroberten Landstriche zu halten und diese verwalten zu können, weil die irakischen Sunniten nicht gewillt sind, die Staats- und Gesellschaftsvorstellungen der ISIS zu akzeptieren. Amerikas früherer Erfolg, einige irakische Sunniten gegen militante Extremisten zu mobilisieren, ist ein Argument und Herr Maliki weiß das. Während die politische Integration der Sunniten entscheidend ist, darf jedoch Gewalt nicht mit Konzessionen belohnt werden. Die ISIS muss von den größeren urbanen Zentren und Grenzstationen des Landes abgedrängt werden, bevor man sich auf Verhandlungen mit pragmatischen Militanten einlässt.

Die irakischen Sunniten müssen entweder die Realitäten der neuen politischen Ordnung des Landes akzeptieren, welche von Schiiten und Kurden dominiert wird, oder sie verdammen sich selbst dazu, für die andauernde Instabilität und Gewalt verantwortlich zu sein, die von Extremisten in ihren Reihen und von ausländischen Kämpfern, die sich ihnen anschließen, hervorgerufen wird.

Die Kurden stehen vor schweren Entscheidungen. Über Jahre hinweg lebten sie im Zwielicht zwischen Unabhängigkeit und Föderalismus. Die USA und Iran müssen den kurdischen Führern deutlich machen, dass ihr Schritt, das derzeitige Chaos auszunutzen, um in Fragen wie den eigenständigen Ölexporten und der Zukunft der umstrittenen Stadt Kirkuk Konzessionen von Bagdad zu erlangen, nach hinten losgehen wird. Washington ist abgeneigt, zwischen Erbil und Bagdad Partei zu ergreifen. Sollte es trotzdem dazu kommen, dann würden die Amerikaner allen Vermutungen nach nicht zu Ungunsten Malikis handeln – und ebenso Teheran nicht.

Iran und Amerika müssen auch externen Störenfrieden begegnen. Saudi-Arabien wurde lange als unwillig gesehen, die Realitäten des neuen Iraks zu akzeptieren. Aber das Königreich kann flexibel sein, wenn Unnachgiebigkeit selbstzerstörerisch scheint. Washington muss den Saudis deutlich machen, dass das Feuer des Extremismus unweigerlich auf das Herz der arabischen Halbinsel überspringen wird, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, um die Unterstützung für die Gewalt zu stoppen. Tatsächlich wird in einer völligen Umkehrung der bisherigen Rechnungen Amerika nun das vitale Interesse Irans teilen, das syrische Regime von Baschar al-Assad, einen anderen Feind der ISIS, gegen die sunnitischen Extremisten vorgehen zu lassen. Mittlerweile bombardieren Assads Kampfflugzeuge Stellungen der Extremisten an der irakischen Grenze, was bis vor einigen Wochen nicht getan wurde.

Iran und die Vereinigten Staaten sollten auch versuchen, die ISIS zu spalten. Wird die Gruppe nur im Irak bekämpft, zieht sie sich schon tags darauf nach Syrien zurück. Die USA können und sollen nicht agieren, als wären sie die irakische Luftwaffe. Aber die militärischen und technologischen Kapazitäten der USA – etwa in Form des Verkaufs von Drohnen, Helikoptern oder Kampfjets – sollten mit den iranischen und syrischen Geheimdienstinformationen kombiniert werden, um die Bewegungen der Extremisten daran hindern zu können, sich unbehelligt zu bewegen. 

Schließlich müssen Iran und die USA die Stärke der irakischen Armee erhöhen und das Aufkommen von Milizen verhindern. Maliki erklärte, dass Tausende von Freiwilligen, die sich bereit erklärt hätten, ISIS zu bekämpfen, den Kern einer neuen  irakischen Armee bilden würden. Aber er benötigt genug politische, militärische und geheimdienstliche Hilfe von den USA und Iran, um nicht auf irreguläre Truppen angewiesen zu sein. Jeder Schritt weg von der Armee und hin zu den Milizen würde tiefgreifende und unberechenbare Folgen haben.

Allen Differenzen zum Trotz benötigen sowohl Teheran als auch Washington einen stabilen Irak. Wenn schon nicht zum Wohle des irakischen Volkes, sollten sie zumindest zum Wohle ihrer eigenen Interessen zusammenarbeiten.


Mohammad Ali Shabani ist Doktorand mit Schwerpunkt auf der iranischen Politik gegenüber dem Irak nach Saddam Hussein an der School of Oriental and African Studies (SOAS) der Universität London.

Erstmals veröffentlicht am 27. Juni 2014 bei The New York Times. Übersetzt von Ali Özkök und Thomas Effe.


Ghazi16-07-14

Der Iran ist der Strippenzieher und mit verantwortlich warum soviele Menschen im Irak gestorben sind.Gemeinsam mit den Amerikanern wurde im geheimen eine Lüge kriiert um ein intaktes Land wie es der Irak war sowas ungeheuerliches zu machen wie ein Krieg anzufangen.Assad in Syrien lässt Menschen quälen und in Foltergefängnissen ermorden.Und jetzt versuchen die Drahtzieher allen Übels sich zusammen zutun und meinen sie wären die guten.Die Iraner sind schon in der arabischen Welt längst als die Huren der Amis bekannt denn sie haben die Muslime verraten und soviel Leid über sie gebracht.Gottes strafe wird die Ungerechten ereilen und sie werden auf ganzer Linie verlieren ob sie wollen oder nicht.Schönen Tag noch...

Najib16-07-14

Ich bezweifele doch sehr, dass der Irak unter Saddam Hussein intakt war. Ein Land das unter den Sanktionen wirtschaftlich völlig gebrochen war. Schon Saddam hatte keine Kontrolle mehr über dir Kurdengebieten.

Aziza16-07-14

Die wahre Hure im Nahen Osten ist Saudi-Arabien, das für die gesamte Instabilität im Nahen und Mittleren Osten verantwortlich ist.

Aqil16-07-14

Kein Land hat wie Iran so viel für die Muslime getan, sei es in Bosnien, Palästina, Libanon, Syrien, Irak, Afghanistan, Bahrain oder anderswo.

@ghazi25-07-14

Wer ist denn hier der langjährige Verbündete der USA und lehnt es vehement ab, sich der informellen Herrschaft zu beugen und nimmt dafür sogar schon so lange lähmende Sanktionen in Kauf?

Und von welchem Zweig kommen denn die meisten terroristischen Organisationen, die den Islam instrumentalisieren und zahlreiche Menschen terrorisieren? Es ist der selbe Zweig, der in Saudi-Arabien prominent ist und ins Ausland exportiert wird.

Als Sunni distanziere ich mich ganz klar von der Politik Saudi-Arabiens.

Sedlacek25-07-14

Ich verstehe nicht, wie Iran mit den USA zusammenarbeiten können, wenn der Revolutionsführer selbst doch immer wieder betont, wie man den USA nicht trauen kann?

Marcel25-07-14

@Sedlacek

Nun ja, Iran versteht es, nicht nur zwischen Volk und Regierung, sondern auch zwischen Hardlinern und gemäßigte unter der Regierung zu differenzieren. Genau so gibt es auch Hardliner in Iran, die weiterhin darauf pochen, dass den USA niemals und unter keinen Umständen zu trauen ist, wohingegen andere iranische Politiker das anders sehen. Sie dürfen nicht vergessen, dass es hier um gemeinsame Interessen geht, und nicht unbedingt darum, dass man sich gegenseitig vertraut und lieb hat, wobei hier eine Basis geschaffen werden kann, um vertrauensbildende Maßnahmen
zu entwickeln.

Iran ist und bleibt sicherlich wachsam und traut dem ganzen nicht, sicherlich werden einige unter den iranischen Politikern US-Kräfte hinter Isis vermuten. Gleichzeitig will Iran aber nicht inmitten der heißen Phase der Atomverhandlungen in starke Rhetorik verfallen. Chamenei hat ja auch hierbei seinem Zweifel Ausdruck gegeben, lässt aber Rohani weiter machen. Vor allem aber werden wohl einige unter der iranischen Führung auf die Einsicht der US-Administration hoffen, dass sie durch gute Beziehungen mit Teheran viel mehr zu gewinnen haben, als durch den außenpolitischen Kurs, den man seit Anfang des 21. Jahrhunderts eingeschlagen hat. Die aktuellen Entwicklungen im Irak unter dem Terror von Isis verdeutlichen ja nur noch ein weiteres Mal, dass ein solcher Kurs mehr als nur kontraproduktiv ist, nicht nur für Iran, sondern eben auch für die USA.





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