26.06.2014 Ali Mamouri

Irak-Krise: Wie die Medien Großayatollah Sistani falsch wiedergeben


Demonstration Irak Großayatollah Sistani Khamenei ISIL

Irakische Demonstranten gegen die ISIS mit den Porträts von Seyyed Ali Sistani und Irans religiös-politischen Staatsoberhaupt, Seyyed Ali Khamenei.

Im Zusammenhang mit der drastischen Verschlechterung der Sicherheitssituation im Irak wurde am 13. Juni eine Nachricht mit dem Inhalt verbreitet, dass der schiitische Kleriker Ali Sistani die Menschen im Westen und Norden des Iraks zu den Waffen gerufen hätte, um den sunnitischen Aufstand niederzuschlagen. Allerdings sind diese Berichte haltlos und widersprechen den patriotischen, humanitären und konfessionsfreien Prinzipien, die sich Sistani zu eigen gemacht hat.

Sistani hat ausschließlich eine offizielle Verlautbarung bezüglich der neuesten Ereignisse von sich gegeben, die am 11. Juni auf seiner offiziellen Webseite gepostet wurde:

“[Sistani] betrachtet die neuesten Entwicklungen der Sicherheitslage in der Provinz Ninevah und ihrer Umgebung mit großer Sorge. Er betont, dass die irakische Regierung und der Rest der politischen Führung Einheit demonstrieren und ihre Kräfte vereinen müssen, um sich gegen die Terroristen zu stellen und die Zivilisten vor deren Gräueltaten zu schützen. Und sie müssen ihre Unterstützung für die Bevölkerung auch vor den Streitkräften zum Ausdruck bringen und diese ermutigen, beharrlich und entschlossen gegenüber den Aggressoren zu stehen.“ So lautet das Statement.

Am 13. Juni, während des Freitagsgebetes, ermutigten die Prediger jene, die in der Lage sind, eine Waffe zu bedienen, sich freiwillig bei den Sicherheitskräften zu melden und den Terrorismus zu bekämpfen.

Einer dieser Prediger war der offizielle Sprecher Sistanis, Sheikh Abdel Mahdi Karbalai. Allerdings hat Karbalai mit keiner Silbe den Jihad erwähnt und Schiiten zum Kampf gegen Sunniten aufgerufen. Stattdessen rief er dazu auf, dass „sich jeder moralisch und physisch darauf vorzubereiten habe, dem Feind zu begegnen.“

Al-Monitor kontaktierte eine prominente Persönlichkeit in Sistanis Büro, um die Verlautbarungen, die ihm von lokalen und internationalen Webseiten zugeschrieben werden, zu bestätigen. Diese Kontaktperson bezeichnete diese Nachrichten als fehlerhaft und stellte Sistanis Aussagen richtig:

  1. Wir haben diejenigen, die in der Lage sind, eine Waffe zu bedienen, dazu aufgerufen, sich freiwillig zu melden - unter der Voraussetzung, dass sie dies unter der Aufsicht der Sicherheitskräfte und auf legale Weise tun.
  2. Der freiwillige Dienst ist eine gesellschaftliche Notwendigkeit, die dem herrschenden Personalmangel bei den Sicherheitskräften Abhilfe leisten soll, um den Feind zu bekämpfen. Der freiwillige Dienst ist nicht für alle geeignet und erfolgt gemäß dem Bedarf. Daneben sollten Schüler und Studenten davon Abstand nehmen und ihre Zeit ihrer Ausbildung widmen.
  3. Der Freiwilligendienst muss rechtlich und sorgfältig verwaltet werden, um Chaos und ungesetzliche Handlungen, wie zum Beispiel das Aufkommen einer Rolle für Milizen, zu verhindern.

Später gab das Büro Sistanis eine Stellungnahme heraus, die den folgenden Aufruf enthielt: „Alle Bürger, besonders in den Gebieten mit gemischter sunnitischer und schiitischer Bevölkerung, sollen sich in stärkster Zurückhaltung üben und daran arbeiten, die emotionalen Bindungen untereinander zu stärken sowie jede Form von Sektiererei, die der Einheit der irakischen Nation schaden könnte, und alle Arten der militärischen Kundgebungen außerhalb der offiziellen irakischen Armee vermeiden.“

Darüber hinaus wurden die Fernsehsender von Sistanis Büros offiziell darum gebeten, sein Foto aus ihren Programmen zu entfernen und stattdessen die Karte des Irak zu zeigen, um die Menschen an die nationale Einheit zu erinnern.

In der gegenwärtigen Situation sind es zwei Konfliktparteien, die darauf abzielen, einen konfessionellen Konflikt herbeizuführen. Die erste Gruppe besteht aus sunnitischen Extremisten, einschließlich bewaffneter Gruppen und religiöser Führer. Die zweite Gruppe besteht aus schiitischen Extremisten, einschließlich schiitischer Milizen und ihrer Unterstützer. Außerdem haben externe Gruppen, die den Konfessionalismus unterstützen, begonnen, die sektiererischen Neigungen zu unterstützen und auszuweiten.

Religiöse Führer sind in dieser Hinsicht geteilter Meinung: Einige rufen zur Einheit auf und lehnen konfessionellen Unfrieden ab, andere dagegen nehmen die extremistische Seite ein und rufen zu Gewalt auf. Sistani ist ein Vorreiter der ersten Gruppe, die auch von anderen prominenten, schiitischen Religionsführern wie Sayyed Hassan Sadr unterstützt wird. Dieser gab eine Stellungnahme heraus, in der er Politiker dazu aufruft, ihre Visionen zu vereinheitlichen und Beschlüsse gegen das Konzept der konfessionellen und ethnischen Quotenregelung zu fällen. Er trat weiterhin dafür ein, eine umfassende Konferenz auszurichten, um eine einheitliche Entscheidung auf Basis einer sorgfältigen Untersuchung der wahren Natur der Situation zu treffen.

Auf der sunnitischen Seite hat Sheikh Ahmed Kabisi bereits seit dem Jahre 2003 die terroristischen Angriffe im Irak verurteilt und den politischen Prozess im Land unterstützt. Am 10 Juni erließ er eine Fatwa, die zur Mobilmachung gegen alle terroristischen Gruppen, die die Kontrolle in einigen Regionen des Iraks übernahmen, aufrief und versicherte all jenen, die in der Konfrontation mit ihnen starben, den Status eines Märtyrers.
 
Man muss die Bedeutung und die Notwendigkeit der nationalen Haltung dieser Kleriker unterstreichen, da sie in der Lage sind, den Zusammenbruch des Landes in einem Konfessionskrieg zu verhindern. Wenn ein solcher Krieg dieses Mal wirklich ausbrechen sollte, werden seine Auswirkungen noch viel weiter reichen als in den Jahren 2006 und 2007, besonders wenn man die enormen Kapazitäten der terroristischen Gruppen sowie das Scheitern der Regierung, eine nationale Versöhnung zu erreichen, in Betracht zieht.


Erstmals veröffentlicht am 16. Juni 2014 bei Al-Monitor. Übersetzt von Ulrike Hintze.


Marie-Luise27-06-14

Danke 'Irananders' für die Aufklärung mit diesem Artikel! Da sieht man mal wieder, wie die Medien (besonders die westlichen) falsch Informationen weiter geben! Absichtlich, oder nur abgeschrieben vom Medium, das bewusst die Öffentlichkeit irreführen will ? Es ist so frustrierend ! Es wird bei den Medien anscheinend nicht mehr gut recherchiert! Das führt dann dazu, dass die Masse einer Gesellschaft unaufgeklärt ist und dann am "Stammtisch" darüber sich empört. M.-L.





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