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17.08.2013 Fabian Köhler

Iran, Sanktionen und die Menschenrechte


Armut in Iran

Sanktionen produzieren Armut.

Die Zusammenstellung klingt vielversprechend: Einige der renommiertesten Rechtsexperten der Welt debattieren in der Hauptstadt des Völkerrechts zu einem der umstrittensten Themen internationaler Politik. Ihr Urteil war einstimmig: Unilaterale Sanktionen und Völkerrecht sind unvereinbar.

Ein paar rote Bürostühle, gelbe Holzverkleidungen, Plastikflaschen wackeln auf den Schreibtischen: Es ist kein sonderlich imposanter Seminarraum, in dem sich Rechtsexperten am 11. Juli trafen. Und auch das Thema des Symposiums mutet einigermaßen langweilig an: “Unilaterale Sanktionen und das Völkerrecht”. Doch was sich an jenem Tag tatsächlich im holländischen Den Haag abspielte, war nicht nur ein Treffen der renommiertesten Völkerrechtler, sondern auch eine Debatte zu einem der momentan umstrittensten geopolitischen Konflikte dieser Erde.

Eingeladen hatten die beiden Den Haager Rechtsinstitute T. M. C. Asser und Hague Center for Law and Arbitration sowie die japanische Doshisha-Universität. Gekommen waren Richter internationaler Gerichtshöfe, Völkerrechtsprofessoren europäischer und asiatischer Universitäten und eine beachtliche Anzahl von Forschern und Botschaftern. Der Diskussionsstoff: Iran, Sanktionen, Menschenrechte.

Das Völkerrecht verbietet unilaterale Sanktionen

Den Beginn machte Abdul Gadrie Koroma. Der Jurist aus Sierra Leone arbeitete zuletzt acht Jahre am internationalen Gerichtshof und ist seit diesem Jahr für die Weltbank tätig. Mit Blick auf die Iran-Embargos der USA und Europäischen Union war sein Urteil eindeutig: "Nach dem geltenden Völkerrecht kann kein Land und keine Organisation einseitige Sanktionen verhängen.” Stattdessen sei nur der Sicherheitsrat legitimiert, Handelseinschränkungen gegen bestimmte Länder zu erlassen. “Und dies auch nur zum Zweck der Bewahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit”, sagte Koroma.

Das Urteil des ehemaligen Mitglieds der UN-Völkerrechtskonvention wurde noch deutlicher: "Illegal" seien jene Embargos, "die Länder oder regionale Bündnisse erlassen, um einen anderen Staat zu bestrafen". Dies widerspreche dem Grundsatz der Gleichberechtigung aller Staaten. Auch der verbreiteten Annahme, Völkerrechtsverstöße würden solche Sanktionen legitimieren, widersprach Koroma.

Raub am Recht auf Entwicklung und Selbstbestimmung

Die Frage nach dem Zweck von Embargos stellte im Anschluss Rahmat Mohamad. Der Generalsekretär der internationalen Rechtsberatungsorganisation “Asian-African Legal Consultative Organization” (AALCO) bestätigte Koromas Einschätzung. Einseitige Sanktionen würden von einigen Staaten als Mittel der Außenpolitik verhängt. Ihr Ziel:  Andere Staaten sollen veranlasst werden, ihr Verhalten zu ändern.

“Die UN-Charta hat einseitige Sanktionen nach dem Völkerrecht nicht erlaubt”, stellte Mohamad klar und fand für den Abschluss seiner Rede ungewöhnlich deutliche Worte für einen Juristen: Sanktionen verletzten nicht nur “fundamentale Grundsätze” des Völkerrechts, sie “schaffen die Grundlage für umfassende Menschenrechtsverletzungen.” Und diese, so Mohamad, “beraubten Menschen ihres Rechts auf Entwicklung und Selbstbestimmung."

Noch stärker stürzte sich Hisae Nakanishi auf die Rolle der Sanktionen in der internationalen Politik. Der Professor für internationale Politik der japanischen Doshisha-Universität kritisierte die Iran-Politik der USA: “Amerikanische Politiker haben offen erklärt, dass es Ziel der Sanktionen gegen Iran sei, Druck auf die Regierung auszuüben.” 

Der Forscher bestätigte, was vor allem republikanische US-Politiker regelmäßig fordern: Ziel von Handelsbeschränkungen sei der Umstutz des politischen Systems Irans. Doch der Erfolg bleibe ihnen bisher verwehrt. Leidtragend sei hingegen die normale Bevölkerung: “Nur das tägliche Leben des gewöhnlichen Volkes wurde wirtschaftlich beeinflusst”, sagte Nakanishi.

Selbst der Europäische Gerichtshof widerspricht Sanktionspraxis der EU

Genau jene Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage der Iraner sind es, die Paul de Waart im Blick hat. Der emeritierte Professor lehrte einst internationales Recht an der Universität Amsterdam. Auf dem Symposium kritisierte er, dass Wirtschaftsembargos die “wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte” einzelner Menschen verletzten. Auch de Waart lehnt deshalb jegliche Einmischung in die wirtschaftliche Souveränität Irans ab: “Wenn die Sanktionen die Grundrechte eines Volkes beeinflussen, so stehen sie mit Sicherheit im Widerspruch zum Völkerrecht und zu den Menschenrechten."

Darauf, dass nicht nur im Falle amerikanischer Sanktionen gegen das Völkerrecht verstoßen werde, wies die Expertin für Menschen- und Bürgerrechte, Maya Lester, in ihrem Vortrag hin. Die Dozentin am “Britischen Institut für internationales und vergleichendes Recht” verurteilte die EU-Außenpolitik. So seien “im Falle der Sanktionen gegen Iran einige Grundsätze durch die EU nicht eingehalten worden.”

Eine Sichtweise, die selbst das höchste europäische Gericht, der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, bestätigt. Im Falle der iranischen Banken “Mellat” und “Saderat” machte dieser zuletzt Beschlagnahmungen iranischen Vermögens rückgängig. Die Begründung: Die EU habe nicht genügend Beweise über eine Verbindung zum iranischen Nuklearprogramm vorlegen können. Generell biete auch der Atomwaffensperrvertrag keine Grundlage für die Verhängung von Sanktionen, fügte  Alexander Orakhelashvili, Professor an der Universität Birmingham, hinzu.

Westliche Politik schadet nicht nur Iran

Zudem leide nicht nur die iranische Wirtschaft unter den Sanktionen, stellte Jiri Hansel fest. Der Direktor der tschechischen Handelskammer wies darauf hin, dass “viele europäische und sogar amerikanische Firmen ihre Waren über Drittländer auf den iranischen Markt senden”. Dies zeige, “dass diejenigen, die Sanktionen verhängen, ihr endgültiges Ziel nicht erreicht, sondern nur den iranischen oder ausländischen Firmen mehr Kosten verursacht haben”. Diese höheren Kosten hat letztlich das iranische Volk auszubaden.

Die iranische Perspektive steuerte schließlich Abu Mohammad Asgarkhani bei. Der Professor an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Teheran beurteilt die einseitigen Embargos als einen Bruch iranisch-amerikanischer Abkommen. So haben sich die USA in dem "Abkommen von Algier" dazu verpflichtet, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Irans einzumischen.

Den Vereinigten Staaten wirft Asgarkhani in Hinblick auf Israel ebenso wie der EU Doppelmoral vor. So sei “das zionistische Regime” kein Mitglied des Atomwaffensperrvertrages, bedrohe die Sicherheit in der Region und produziere Atomwaffen. Doch anders als im Falle Irans “hat die internationale Gemeinschaft nichts Ernsthaftes unternommen, während sie gegen Iran nur wegen eines Vorwurfs scharf vorgehen.”

Einigkeit herrschte bei allen Teilnehmern des Symposiums, dass die illegalen Sanktionen letztlich auch rechtliche Folgen für die Verursacherstaaten nach sich ziehen müssten. Nach 34 Jahren Wirtschaftssanktionen ende der Anstieg der Lebenskosten für Menschen in Iran allzu oft tödlich. Hierfür müssten die Verantwortlichen in Haftung genommen werden. Eine völkerrechtliche Expertise, die jenseits des Den Haager Seminarraumes, wohl eine unverfüllte Hoffnung bleiben wird.


Michael18-08-13

Gut gebrüllt Löwe. 100 % Zustimmung zur rechtlichen Bewertung von Sanktionen und deren Folgen. Das wissen selbst Personen, die daran aktiv arbeiten. Das Problem ist, Politik ist kein juristisches Seminar, deshalb ist der Artikel sachlich sehr gut, geht aber aktuell an den notwendigen Schritten vorbei. Es bedarf jetzt eines klaren und eindeutigen Signals des Iran in den Verhandlungen. Nur damit kann er sich selbst helfen und seine Freunde im Westen in eine Position bringen, wo sie helfen können.

Unbekannt18-08-13

Michael, wie sollte so ein Signal aussehen? Den US-Kongress kann man wohl kaum vom Kurs abbringen. Aber die Europäer schon. Hier muss die neue Regierung ansetzen.

Michael18-08-13

Stimme Dir ausdrücklich zu was, den Unterschied zwischen den Amerikanern und den Europäern angeht. Ich habe große Zweifel, ob es mit den Amis einen echten Durchbruch geben kann. Mit den Europäern eher. Das Signal sollte eine Aussetzung der Anreicherung und eine Einladung an die IAEO sein. Ich weiß, daß die Iraner damit in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht haben, aber das heißt ja nicht, daß diese Schritte falsch waren oder jetzt sind. Der Wind hat sich in Brüssel mit Rouhani gedreht und man sollte die positive Erwartungshaltung schnell nutzen. Neben dem aussenpolitischen Nutzen würde ein solcher Schritt sicherlich auch von der iranischen Bevölkerung positiv aufgenommen werden, den auch dort wartet man aus meiner Sicht auf rasche Schritte.

TE18-08-13

@Michael

Ich glaube kaum, dass Rouhani politisch in der Lage ist, noch mal die Urananreicherung auszusetzen. Das wäre ja aus iranischer Sicht ein Rückschritt zu den Verhandlungen 2003. Und andererseits gibt es im Westen vermehrt Stimmen, die eine Anreicherung bis 3,5 Prozent tolerieren würden.

Ramin19-08-13

@Michael

Der aktuelle Rechtsspruch des höchsten englichen Gerichts (Mellat Bank case) zeigt, dass es wohl eine juristische Dimension der Sanktionen existiert und der Iran durchaus in der Lage ist diese unlilaterale Sankltionen gerichtlich anzuprangern.

Iranparast20-08-13

Dem Westen, Russland und China geht es nicht um Menschenrechte, sondern um strategische Ausbeutung und Geopolitik. Insofern wundert es kaum, dass die Sanktionen völkerrechtlich fragwürdig sind.

jakob23-08-13

Welches Völkerrecht deckt eine Gottesherrschaft wie im Iran?

Unbekannt27-08-13

@Jakob

Das Völkerrecht, das den Völkern Emanzipation erlaubt und ihnen gestattet, freidenkerisch ein anderes Staats- und Gesellschaftsmodell zu folgen, als die der westlichen Modelle.





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