Übermittlung Ihrer Stimme...

Bewertungen: 6.0 von 6. 20 Stimme(n). Klicken Sie auf den Bewertungsbalken, um diesen Artikel zu bewerten.
08.07.2011 Hillary Mann Leverett und Flynt Leverett

Irans Kampf gegen Al-Qaida


Saif al-Adel

Saif al-Adel auf einem Photo des FBI vom 10. Oktober 2001. Die Bildunterschrift von „National Public Radios“ zum Photo: „Al-Adel war jahrelang in Iran inhaftiert, wo die USA ihn nicht ins Visier nehmen konnten."

In der Regierung von George W. Bush Junior arbeitete Hillary Mann Leverett als Direktorin im Nationalen Sicherheitsrat für Iran, Afghanistan und für den Persischen Golf. Von 2001 bis 2003 gehörte sie zu einer kleinen Anzahl von US-Diplomaten, die autorisiert waren, mit Iranern über Afghanistan, Al-Qaida und Irak zu verhandeln. Im Folgenden ihr Artikel, den sie zusammen mit Flynt Leverett, dem Senior Research Fellow beim US-amerikanischen Think-Tank „New America Foundation“, über die Verhandlungen mit Iran über Al-Qaida verfasste.

„National Public Radio“ hat vor Kurzem eine Sendung ausgestrahlt, in der behauptet wurde, dass Saif al-Adel, ein geeigneter Kandidat für die Führung oder stellvertretende Leitung von Al-Qaida, sein Leben der Islamischen Republik Iran verdanken würde. Diese Geschichte ist Teil einer kleinen Welle von "Nachrichten" (weitere Bespiele siehe hier), die von umfangreichen Verbindungen zwischen Teheran und hochrangigen Mitgliedern von Al-Qaida ausgehen. NPR meldete Folgendes:

„Nach Rick Nelson, der die Spuren von Al-Qaida für das Zentrum für Strategie und Internationale Studien in Washington D. C. verfolgt, verdankt Al-Adel – falls er eines Tages der neue Al-Qaida-Führer wird -  alles Iran. 'Die Tatsache, dass er über einen längeren Zeitraum hinweg in Iran war (die meiste Zeit während des US-Kriegs gegen Al-Qaida) hat sein Leben in vielerlei Hinsicht geschützt', sagt Nelson. 'Und jetzt hat es ihn in die Lage versetzt, möglicherweise die Organisation zu übernehmen.' Mit anderen Worten, weil Al-Adel in Iran war, konnten ihn die USA in den letzten neun Jahren nicht zum Ziel von Angriffen machen."

NPR berichtet weiterhin, dass "laut US-Beamten, die mit dem Fall vertraut sind", Teheran im Jahre 2010  Saif Al-Adel gegen einen iranischen Diplomaten, der von Al-Qaida in Pakistan zwei Jahre zuvor entführt worden war, ausgetauscht hat - und ihn damit wieder freigesetzt hat, vielleicht sogar, um die Nachfolge von Osama bin Laden anzutreten.

Die schlechte Qualität der Berichterstattung der Mainstream-Medien über Irans Verbindungen zu Al-Qaida erinnert stark an die hochgradig fehlerhafte Berichterstattung derselben über Iraks Beziehungen zu Al-Qaida im Vorfeld der amerikanischen Invasion des Irak 2003. Heute spiegelt die Berichterstattung der Mainstream-Medien über Teherans Haltung gegenüber Al-Qaida eine verzerrte, aber mittlerweile tiefsitzende Sicht auf die Ereignisse während der offiziellen Gespräche zwischen den USA und Iran zu Al-Qaida und Afghanistan von 2001 bis 2003,, an denen die Autorin dieser Zeilen direkt beteiligt war, wieder.

Nach den Anschlägen vom 11. September und der US-Invasion in Afghanistan sind schätzungsweise bis zu 300 Taliban und Al-Qaida-Mitglieder von Afghanistan aus in Iran geflohen. Zum Vergleich: mehrere Tausend Taliban und Al-Qaida-Mitglieder sind aus Afghanistan nach Pakistan geflohen. Aber im Gegensatz zu Pakistan hat Iran mehr als 200 dieser Individuen festgenommen und dies im Februar 2002 für die Vereinten Nationen dokumentiert, wobei Kopien der Pässe von allen Personen beigefügt wurden. Darüber hinaus hat Iran noch einen prozentual hohen Anteil dieser Individuen wieder in ihre Ursprungsländer zurückgeführt - zu der Karzai-Regierung nach Afghanistan, nach Saudi-Arabien sowie in andere Länder.

Allerdings hat Iran uns direkt darüber informiert, dass er nicht alle Individuen, die er inhaftiert hatte, zurückschicken konnte. Zum Beispiel hatte die Islamische Republik keine diplomatischen Beziehungen mit Ägypten, wo Seif al-Adel herstammt, und iranische Diplomaten teilten Hillary und ihren Kollegen daher mit, dass Teheran nicht in der Lage war, Al-Qaida-Kämpfer ägyptischer Herkunft nach Ägypten zurückzuführen. 

Sie sagten ebenfalls, dass Osama Bin Ladens Sohn Saad versucht hatte, Iran zu betreten, und er dabei von iranischen Sicherheitskräften zurückgewiesen wurde. Diese iranischen Diplomaten drückten jedoch ihre Bedenken aus,  falls es Saad Bin Laden  schaffen würde, die durchlässige iranisch-afghanische Grenze zu durchdringen und iranisches Territorium zu betreten - wie er es anscheinend 2003 gemacht hat, nachdem die Bush-Administration einseitig die Gespräche mit Iran über Afghanistan und Al-Qaida abgebrochen hatte. Teheran würde in diesem Fall auf Schwierigkeiten stoßen, ihn nach Saudi-Arabien zuzückzuführen, da das Land bereits klargestellt hat, dass es weder Saad Bin Laden noch seinen Vater aufnehmen würde.

Anstatt daran zu arbeiten, einen geeigneten Rahmen zu schaffen, innerhalb dessen es Teheran möglich gewesen wäre, in Iran inhaftierte Operationskräfte von Al-Qaida amerikanischen Verhörspezialisten zugänglich zu machen (wie es unsere iranischen Gesprächspartner vorgeschlagen haben), bestand die Bush-Regierung darauf, dass Iran alle zu Al-Qaida gehörenden Personen, die sich möglicherweise in Iran aufhielten, festnimmt und deportiert, und dies ohne Hilfestellung von oder im gegenseitigem Einvernehmen mit den Vereinigten Staaten. (Von der Perspektive der Bush-Regierung aus war dies als "Test" für die iranischen Absichten zu verstehen).

Später dann, im Vorfeld des Irak-Krieges, teilte die Bush-Regierung den Iranern mit, dass die Mojahedin-e Khalq (MEK),  eine vom Irak aus operierende iranische Oppositionsgruppe, die die Vereinigten Staaten schon seit Jahren als ausländische terroristische Organisation einstuft, als Ausläufer von Saddams Militärapparat ins Visier genommen würde. Trotzdem gewährte das Pentagon der MEK direkt nach der Invasion einen Sonderschutz-Status, was Befürchtungen in Teheran weckte, dass Washington die MEK als Teil eines Feldzugs zum Sturz der Islamischen Republik einsetzen wollte. Zu diesem Zeitpunkt begannen die Iraner, die Al-Qaida-Kämpfer in ihrem Gewahrsam als potenzielle Trumpfkarte zu betrachten, die sie Washington gegenüber im Hinblick auf die MEK ausspielen konnten. 

Als Antwort auf die uneingeschränkten Forderungen der Bush-Regierung, dass Teheran Kämpfer von Al-Qaida übergibt, die man auf iranischem Gebiet vermutet, boten die Iraner folgenden Deal an: den Austausch der noch verbliebenen Al-Qaida-Kräfte, die sie inhaftiert hatten, gegen Kader der MEK im Irak. Um einen solchen Austausch voranzutreiben, boten die Iraner die Freilassung aller MEK-Gefangenen von niedrigem und mittlerem Rang an. Ebenso wollten sie dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) gestatten, die Behandlung jeglicher in Iran inhaftierter MEK-Kräfte von hohem Rang zu überwachen (womit man als Präzedenzfall dem ICRC Zugang zu Irans Gefängnissen verschafft hätte) und auf die Beantragung der Todesstrafe für hochrangige Kämpfer der MEK, die von iranischen Gerichten für schuldig an Verbrechen befunden wurden, verzichten.

Im Endeffekt war es die Bush-Regierung und nicht Iran, die ein Geschäft abgelehnt hat, das uns Zugang zu wichtigen Operationskräften von Al-Qaida verschafft hätte - womöglich auch zu Seif Al-Adel. Wir wissen nicht, ob die Geschichte, dass die Islamische Republik schließlich eine Vereinbarung mit Al-Qaida getroffen hat, Seif Al-Adel gegen einen entführten iranischen Diplomaten auszuwechseln, wahr ist. Wie auch immer, falls es stimmt, deutet es stark darauf hin, dass Teheran absolut ehrlich war, als es vorgeschlagen hat, Gefangene von Al-Qaida gegen MEK-Kräfte im Irak auszutauschen. Aber Washington war zu sehr von seiner eigenen imperialen Selbstüberschätzung eingenommen, als auf den Handel einzugehen. Und das ist der wahre Grund, warum Seif Al-Adel der nächste Osama Bin Laden werden könnte.“


® The Race for Iran von 5. Juni 2011; übersetzt von Fatima Radjaie / Redigiert von Thomas Effe


Keine Kommentare





* Bitte haben Sie Verständnis, dass die Redaktion Beiträge editiert oder nicht freigibt mit dem Ziel einen moralischen Austausch zu gewährleisten.