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19.04.2013 Shayan Arkian

Die Funktion des Wächterrates


Iran, Wächterrat

Das Emblem des Wächterrates.

Das iranische Verfassungsgericht heißt „Wächterrat“ und besteht aus sechs religiösen hohen Rechtsgelehrten (im Fachjargon: Mujtahid) und sechs weltlichen Juristen aus verschiedenen Rechtsgebieten. Seine Mitglieder dürfen keinen Regierungsposten wahrnehmen und ihre Amtszeit dauert sechs Jahre, wobei eine Wiederwahl stets möglich ist.

Die sechs hohen religiösen Rechtsgelehrten werden vom religiösen Staatsoberhaupt (im Fachjargon: Wilayat al-Faiqh) ernannt und die weltlichen Juristen aus den verschiedenen Rechtsgebieten werden vom Parlament gewählt - auf Vorschlag des Oberhaupts der Judikative (dieser wird wiederum vom religiösen Staatsoberhaupt ernannt). Da in der ersten Wahlperiode jeweils drei religiöse Rechtsgelehrte und weltliche Juristen verfassungsgemäß durch Los ausscheiden mussten, stehen alle drei Jahre die Hälfte der Mitglieder zur Disposition. Die Bekleidung der Posten innerhalb des Rates, wie die des Vorsitzenden, wird von seinen Mitgliedern selbst per Wahl vorgenommen.

Die Aufgabe des Wächterrates ist die Überprüfung der Bewerber zu den Wahlen auf Verfassungstreue, die Auslegung der Verfassung und die Überprüfung der beschlossenen Gesetze auf Verfassungskonformität. Im letzteren Fall ist die Stimme der religiösen hohen Rechtsgelehrten entscheidend. Anders als das deutsche Bundesverfassungsgericht, das erst nach einer Anklage (unter Umständen durch mehrere Instanzen) in Aktion tritt, überprüft der Wächterrat schon im Voraus die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes und die Verfassungstreue der Bewerber zu einer Wahl. Der Grund dafür ist, dass es für einen islamischen Staat nicht denkbar ist, wenn dem Islam widersprechende Gesetze auch nur für eine geringe Zeit in Kraft träten oder islamisch nicht ausreichend qualifizierte Kandidaten zur Wahl stehen würden (christliche und jüdische Bewerber für das Parlament werden nur auf die Verfassungstreue hin geprüft).

Streng genommen genehmigt der Wächterrat keine Gesetze, sondern wenn innerhalb von zehn Tagen nach Verabschiedung des Gesetzesentwurfs vom Parlament der Wächterrat keine verfassungsrechtlichen Bedenken äußert, wird der Entwurf ohne Weiteres ein Gesetz und somit rechtskräftig. Nach der Verfassung sollen in dringenden Fällen die Mitglieder des Wächterrates dem Parlament aus Effizienzgründen schon im Voraus ihre Meinung über einen Gesetzesentwurf mitteilen. Das Parlament muss aber ihre Meinung nicht folgen und kann den Entwurf dennoch verabschieden.

Im Westen sieht man den Wächterrat bisweilen als die mächtigste staatliche Institution in der iranischen Staatsordnung an. Über dem Wächterrat steht allerdings der Schlichtungsrat bzw. Zweckmäßigkeitsrat mit quasi transfraktionellen Mitglieder, der bei langwierigen Gesetzesblockaden eine Entscheidung trifft. Darüber hinaus werden die Kandidaten für die Kommunalwahlen nicht vom Wächterrat geprüft. Hinzu kommt, dass in der Regel im politischen System Irans im Vergleich zu anderen republikanischen Staatsordnungen (selbst die im Westen) mehr Präsidentschaftskandidaten zur Auswahl stehen. So gab es im Jahr 2009 vier zugelassene Kandidaten, 2005 gab es acht zugelassene Kandidaten und 2001 gab es zehn zugelassene Kandidaten. Nur zweimal gab es in der 34-jährigen Geschichte der Islamischen Republik weniger als vier Kandidaten (1985 und 1989). Ferner wird der Präsident vom Volk direkt – ohne ein jahrelanges Auswahlverfahren der Parteien – gewählt. Deshalb konnten jeweils zwei Kandidaten – nahezu aus dem Stegreif - überraschend Präsident werden: 1997 Mohammad Khatami und 2005 Mahmud Ahmadinejad.

Anders als in der Bundesrepublik Deutschland, wo derzeit die Schwarz-Gelb-Regierung von der Minderheit der Wähler ins Amt gewählt worden ist und verfassungsgemäß dennoch legitim ist, muss der iranische Präsidentschaftskandidat mindestens 50 % der Wählerstimmen auf sich vereinen, um die Wahl zu gewinnen, andernfalls findet eine Stichwahl zwischen den zwei Bestplatzierten statt.

Die Wahlbeteiligungen der Präsidentschaftswahlen sind überdurchschnittlich hoch, bei den Kommunalwahlen hingegen niedrig.


Steffen29-07-10

Endlich!

In den einen Staaten werden die Kandidaten von Medien und Parteien gefiltert und im Iran vom Wächterrat. Leben und leben lassen.

Hans im Stall29-07-10

Wieso ist die Wahlbeteiligung der Kommunalwahlen so niedrig?

M.A.29-07-10

@Hans im Stall,

meine Vermutung ist, dass Kommunalwahlen weltweit tendenziell niedrigere Wahlbeteiligungen aufweisen als landesweite Wahlen, weil der Bürger sich denkt, Kommunalwahlen seien weniger wichtig. So ist es ja auch in Deutschland. Selbst die Wahlen zum Europaparlament werden hier kaum ernst genommen.

SA29-07-10

Einige Konservativen nehmen das zum Anlass, um zu behaupten, dass die Menschen weniger zur Wahl gehen, da sie verunsichert sind, weil der Wächterrat die Bewerber nicht nach ihrer Qualifizierungen prüft. Sicherlich hat aber M.A. auch Recht. Darüber hinaus gibt es die Kommunalwahlen erst ab Ende der 90ern von Mohammad Khatami initiiert, obwohl sie schon in der Verfassung seit 1979 verankert sind.





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